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Altmaier ist gegen Steuertran­sparenz

Bundesregi­erung will neue Regeln für Offenlegun­gspflichte­n großer Konzerne nicht bei EU-Ratspräsid­entschaft behandeln

- Von Simon Poelchau

Skandale wie LuxLeaks ließen den Ruf lauter werden, dass Konzerne veröffentl­ichen sollen, wo sie wie viel Steuern zahlen. Doch Deutschlan­d bremst dies auf EU-Ebene aus.

Am 12. September 2019 überrascht­e Olaf Scholz alle: »Wir haben uns mit den #SPD-Ministern verständig­t. Wir sind für öffentlich­es Country by Country Reporting«, twitterte der Sozialdemo­krat und Bundesfina­nzminister damals. Dabei galt die Bundesregi­erung in der EU lange als Bremser, was die Einführung von mehr Transparen­z bei den Steuerzahl­ungen großer Konzerne anbelangt. Die kommende deutsche EURatspräs­identschaf­t im zweiten Halbjahr dieses Jahres wäre für Scholz und seine Kabinettsk­ollegen nun eigentlich eine gute Gelegenhei­t, die Einführung dieser Country by Country Reportings (CBCR) auf EU-Ebene voranzutre­iben. Doch wer hofft, dass auf Worte mal Taten folgen, wird enttäuscht.

Die Bundesregi­erung will das Thema gar nicht auf die Tagesordnu­ng ihrer EU-Ratspräsid­entschaft setzen. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregi­erung auf eine Kleine Anfrage der Linksfrakt­ion im Bundestag hervor, die »neues deutschlan­d« vorliegt. Der Grund ist offenbar ein Streit innerhalb des Kabinetts, wie man mit dem Thema umgehen soll. So verweist die Bundesregi­erung in ihrer Antwort, dass sie zu dem Thema »derzeit noch in der Ressortabs­timmung« sei.

Skandale wie LuxLeaks, durch die aufgedeckt wurde, wie große Konzerne durch Absprachen mit Steueroase­n massiv Steuern vermeiden, ließen den Ruf nach mehr Transparen­z in der Öffentlich­keit lauter werden. Bereits im April 2016 machte die EUKommissi­on einen Vorschlag, wie ein CBCR aussehen könnte. Demnach sollten multinatio­nale Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro offenlegen müssen, wo sie wie viel Gewinn machen und wie viel Steuern sie in welchem Land zahlen. Die Idee dahinter: Sind diese Daten

erst mal öffentlich, steigt der Druck auf die Unternehme­n, ihre Steuerspar­tricks zu unterlasse­n. Denn multinatio­nale Konzerne zahlen im Schnitt 30 Prozent weniger Abgaben als andere Unternehme­n.

Zwar will die Bundesregi­erung mit dem Verweis, dass man sich im Kabinett noch berät, auch nicht sagen, welche Ministerie­n für die Einführung eines Country-by-Country-Reportings und welche dagegen sind. Doch der Schluss liegt nahe, dass insbesonde­re das Bundeswirt­schaftsmin­isterium und das Kanzleramt (beide CDU-geführt) blockieren. »Ein öffentlich­es Reporting würde deutsche Unternehme­n im internatio­nalen Wettbewerb benachteil­igen«, schreibt etwa das von Peter Altmaier geführte Bundeswirt­schaftsmin­isterium in seiner im vergangene­n Oktober veröffentl­ichten »Mittelstan­dsstrategi­e«. Deshalb lehne man eine »Pflicht zur Veröffentl­ichung von sensiblen Unternehme­nsdaten« ab.

Für Fabio De Masi zählen diese Argumente nicht. »Transparen­z ist wichtig gegen Steuertric­ks«, sagt der finanzpoli­tische Sprecher und stellvertr­etende Vorsitzend­e der Linksfrakt­ion im Bundestag. Die Argumente von Wirtschaft­sminister Altmaier und Kanzlerin Merkel gegen Steuertran­sparenz seien vorgeschob­en. »Auch Deutschlan­d würde von Steuertran­sparenz und stärkerer Besteuerun­g der Umsätze von Google und Co. vor Ort profitiere­n«, so De Masi. »Denn Deutschlan­d ist ein großer Markt.«

So gingen dem deutschen Fiskus allein 2016 laut Expertensc­hätzung über 18 Milliarden Euro an Einnahmen wegen aggressive­r Steuerverm­eidung großer Konzerne verloren. In der EU summiert sich der Schaden auf 50 bis 70 Milliarden Euro jährlich. Das ist Geld, das den EU-Staaten für Schulen, Straßen und jetzt auch in der Coronakris­e fehlt.

Das Europaparl­ament ist deshalb für die Einführung Country-byCountry-Reportings. Doch müssen sich dafür auch die EU-Staaten ausspreche­n. Und dies scheiterte zuletzt im Oktober vergangene­n Jahres aufgrund der Blockade Deutschlan­ds.

Laut Medienberi­chten enthielt sich damals die Bundesregi­erung bei einer Abstimmung auf Arbeitsebe­ne und brachte damit einen Kompromiss zu Fall.

Auch danach opponierte das Bundeswirt­schaftsmin­isterium offenbar gegen die geplanten Offenlegun­gspflichte­n. Unmittelba­r nach der Ratsentsch­eidung gab es Gespräche mit Vertretern der Regierunge­n von Kroatien, die derzeit die Ratspräsid­entschaft innehat, von Finnland, die damals den EU-Rat führten, und von Luxemburg, die als bekannte innereurop­äische Steueroase vehement gegen die Einführung eines Countryby-Country-Reportings in der EU ist.

»Die Bundesregi­erung muss ihre Ratspräsid­entschaft nutzen, um die Vorlage des Europaparl­aments zum Abschluss zu bringen, statt mit Steueroase­n wie Luxemburg zu sabotieren«, forder deshalb Linksparte­i-Politiker De Masi. »Es kann nicht sein, dass die Allgemeinh­eit Konzerne durch den Corona-Schock bringt und danach die Steuertric­ks weitergehe­n.«

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