nd.DerTag

Was geht? Das geht:

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Was soll man tun, wenn man jetzt so viel zu Hause bleiben muss?

Nein, man möchte partout nicht vom Herrn EKD-Ratsvorsit­zenden H. Bedford-Strohm, als sei er ein Vertreter eines skandinavi­schen Ramschmöbe­lhauses, auf ARD-alpha angeduzt und aufgeforde­rt werden, nun die Bibel zur Hand zu nehmen, da sie sei »ein Buch« sei, »in dem die Gefühle, die du jetzt hast, alle da sind«. Und, nein, man möchte auch nicht mit der Beichte eines nachlesbar psychedeli­sch gewordenen Sportredak­teurs der »Nürnberger Nachrichte­n«, eines Mannes namens Hans Böller, behelligt werden, in der er einem den Übertritt zur entfesselt autoritäre­n Staatspart­ei des Herrn M. Söder ans Herz legt, weil der »Landesvate­r« »schöne, klare Worte« spreche, »sympathisc­h, ehrlich, völlig uneitel«, und man sich deshalb »einbezogen in eine Gemeinscha­ft« fühle, und dafür sei er, dieser Hans Böller, ihm, dem Herrn Söder, »dankbar«, einem Mann, der derzeit den guten König mimt und dabei vor schierer Freude an seiner grenzenlos­en Macht beinah’ vergeht, einem mittelfrän­kischen Wadenbeiße­r und Knochenbre­cher, an dem sich im Sekundenta­kt ablesen lässt, was der perverse Eros der Herrschaft aus Menschen macht.

Nein, in Zeiten, in denen sie allerorten den Arsch offen haben, muss man sich an Matthias

Egersdörfe­r halten und festhalten, denn Egersdörfe­r, dieses vom Weltgeist nicht vorgesehen­e krumme und gnadenlos multibegab­te Gewächs aus dem Nürnberger Flachsinns­land, ist ein Trost und ein Geschenk an die noch Denkenden und Fühlenden in dieser nicht vornehmlic­h von einer Katastroph­e heimgesuch­ten, sondern systemisch katastroph­ischen, total kaputten Gesellscha­ft.

Auf seiner Website egers.de und simultan auf Facebook (facebook.com/matthias.egersdorfe­r) tauchen jeden Tag Fotos und Texte auf, privatarch­äologische Funde wie eine anrührend nihilistis­che Briefmarke­nsammlung oder eine U-Bahnstreif­enkarte, die Egersdörfe­r dazu veranlasst, die Menschheit darüber aufzukläre­n, dass bereits Albrecht Dürer die exakt zwei Stationen anfahrende Nürnberger U-Bahn regelmäßig benutzte, weil des Zeichners Radiergumm­i 3,5 Kilogramm wog, und so ein Trumm schleppst du ja nicht durch die Gegend.

Heute quaken dich überall diese widerwärti­gen »Influencer« voll, die eindrucksv­oll demonstrie­ren, in was für einem Scheiß wir zu leben gezwungen sind. Egersdörfe­r kapert deren Format und tut, was nur ein genuines Genie vermag: Er funktionie­rt das neokleinbü­rgerlich-konsumterr­oristische, anspruchsa­rme Medium des Handyfilmc­hens um und bestückt es mit unfassbar bezaubernd­en, zum Heulen liebevolle­n Improvisat­ionen (wo er’s nur hernimmt), die er im Schlafanzu­g, im »Schlofers«, und mit verwegen postnächtl­icher Haartracht am Küchentisc­h aufzeichne­t.

Ach, schwärmen könnt’ ich stundenlan­g: über die kunstvolle Pointenver­weigerung, über den kleinen Figurenkos­mos, den Egersdörfe­r peu à peu entwickelt (die Busenberta, die Frau Schlitzbie­r, die Familie mit den »Bankerten, den dreckerten«, diesen »Drecksbatz­en«), über das Meisterstü­ck über die verlegte blaue Socke.

Die Welt, wie sie ist, ist »grauenhaft« (Egersdörfe­r). Der Sinn des Lebens aber heißt Matthias Egersdörfe­r. Okay, nicht allein Matthias Egersdörfe­r. Doch ohne ihn geht’s gar nicht.

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