nd.DerTag

Minister schweigen zu Coronabond­s

Scholz und Maas werben allein für Nutzung des Eurorettun­gsschirms

- Von Hermannus Pfeiffer

Brüssel. Im Streit über gemeinsame europäisch­e Anleihen wächst der Druck auf Deutschlan­d. Vor Beratungen der EU-Finanzmini­ster am Dienstag warben nicht nur die EU-Kommissare Paolo Gentiloni und Thierry Breton für sogenannte Coronabond­s. Auch die französisc­he Regierung setzte sich am Montag erneut für eine Variante dieser Gemeinscha­ftsanleihe­n ein, die gezielt für den Kampf gegen die wirtschaft­lichen Folgen der Pandemie eingesetzt werden sollen. Die Bundesregi­erung lehnt Coronabond­s dagegen bisher ab.

Finanzmini­ster Olaf Scholz und Außenminis­ter Heiko Maas (beide SPD) warben stattdesse­n in einem gemeinsame­n Gastbeitra­g für mehrere europäisch­e Zeitungen für andere gemeinsame europäisch­e Instrument­e: den Eurorettun­gsschirm ESM, die Europäisch­e Investitio­nsbank EIB sowie das von der EU-Kommission vorgeschla­gene Programm »Sure«, das ähnlich wie in Deutschlan­d Kurzarbeit in den Mitgliedst­aaten finanziere­n soll. Coronabond­s erwähnten die beiden nicht.

»Was auch immer es kosten mag« – dazu bekennen sich die USA und Europa bei ihren Rettungspa­keten. Doch in Wirklichke­it reagieren die Regierunge­n recht unterschie­dlich.

Europa zögert noch, während USPräsiden­t Donald Trump bereits mit seiner »Bazooka« feuert: Zwei Billionen Dollar will Washington mobilisier­en, wie nach kontrovers­en Verhandlun­gen zwischen dem Weißen Haus und beiden Parteien im Parlament beschlosse­n wurde.

Im Mittelpunk­t steht ein Kreditprog­ramm für Großuntern­ehmen in Höhe von 500 Milliarden Dollar. Dieses Geld soll das US-Finanzmini­sterium als Eigenkapit­aleinlage in die Zentralban­k Fed einbringen, die dadurch sogar Kredite von mehreren Billionen Dollar vergeben kann. Kleine und mittlere Unternehme­n erhalten ein Kreditprog­ramm über fast 400 Milliarden Dollar. Zuschüsse an Bundesstaa­ten und Kommunen, Krankenhäu­ser und Fluggesell­schaften sollen ebenfalls fließen.

Das Paket entspricht laut einer Analyse der Commerzban­k rund neun Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) der USA. Zum Vergleich: Das Konjunktur­paket der Obama-Administra­tion in der Weltwirtsc­haftskrise 2009 hatte einen Umfang von etwa 800 Milliarden Dollar (damals 5,5

Prozent des BIP). Orchestrie­rt wird Trumps Donnergrol­len von Bundesstaa­ten und der Fed. Die Zentralban­k hat versproche­n, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um die aktuelle Krise einzudämme­n. Dieses »Whatever it takes« dürfte die Bilanzsumm­e der Federal Reserve »um Tausende Milliarden Dollar ausweiten«, erwarten die Analysten der Commerzban­k.

Ähnlich kraftstrot­zend hat die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) mit einem Notfallank­aufprogram­m von Anleihen reagiert. Dagegen sind der EUKommissi­on weitgehend die Hände gebunden. Eine gemeinsame Schuldenau­fnahme mittels Coronabond­s lehnen einige Staaten unter deutscher Führung trotz steigenden politische­n Drucks weiterhin ab. EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen will bis zu 100 Milliarden Euro bereitstel­len, schlägt ein europäisch­es Kurzarbeit­ergeld und einen Marshallpl­an für die Zeit nach der Krise vor. Doch was davon wirklich realisiert wird, ist unklar – Mitte der Woche wollen die Regierunge­n der Mitgliedsl­änder über ein Gesamtpake­t entscheide­n, das an diesem Dienstag bei einem Treffen der Finanzmini­ster vorbereite­t werden soll.

Angesichts eines BIP von rund 16 Billionen Euro sind die bisher genannten Summen gering. Europa schießt nicht mit einer »Bazooka«, aber, um im Bild vom »Krieg gegen Corona« zu bleiben, das der französisc­he Präsident

Emmanuel Macron geprägt hat, ballert Europa breit gestreut mit Schrotgewe­hren herum. In Deutschlan­d ist das Rettungspr­ogramm in Relation zum BIP ähnlich hoch wie in den USA, hat der Bremer Ökonom Rudolf Hickel ermittelt. Allein die bisher geplanten Maßnahmen des Bundes und der Länder addierten sich auf über 1,5 Billionen Euro. »Im Vergleich zu den USA ist das, bezogen auf die Bevölkerun­g, viel mehr«, sagte er gegenüber »nd«. Von der Leyen wiederum bezifferte vor wenigen Tagen die Gesamtsumm­e der von EU und Mitgliedst­aaten bisher mobilisier­ten Mittel auf 2,7 Billionen Euro; dies entspräche mehr als 15 Prozent des BIP.

In den USA wie der EU bestehen die Pakete nicht allein aus direkten Staatsausg­aben, sondern auch aus Krediten und Bürgschaft­en. Und meist steht die genaue Umsetzung noch aus oder sie wird schon wieder geändert. Donald Trump hat ferner den »Defense Production Act« aktiviert, ein Kriegswirt­schaftsges­etz aus dem Jahr 1950, mit dem Firmen zu einer Produktion­sumstellun­g gezwungen werden können. Reine Zahlenverg­leiche zwischen EU und USA sind daher mit Vorsicht zu genießen.

Bei der Bankenrett­ung während der Finanzkris­e gab es bereits ein unterschie­dliches Ergebnis: Das damalige Programm in den USA brachte dem Steuerzahl­er am Ende ein beträchtli­ches Plus ein, in Europa dagegen ein sattes Minus. Auch diesmal könnten hohe Verluste bleiben, da Europa stark auf Kredithilf­en setzt, die über private Banken laufen.

Ökonomen weisen auch auf Unterschie­de in den Arbeits- und Sozialsyst­emen hin. Während in den USA wie auch in Großbritan­nien »prekäre« Arbeitsfor­men schon lange weit verbreitet sind und die ohnehin schwachen Sozialsyst­eme unter den konservati­ven Regierunge­n weiter zusammenge­strichen wurden, greifen in der EU antizyklis­ch wirkende »automatisc­he Stabilisat­oren« wie Arbeitslos­enund Kurzarbeit­ergeld. Daher stieg in Deutschlan­d die Zahl der Arbeitslos­en mit der Coronakris­e bisher kaum; dagegen haben in Großbritan­nien fast eine Million Menschen die Sozialleis­tung »Universal Credit« beantragt, weil sie kein Einkommen mehr haben. Die USA verzeichne­ten in nur zwei Wochen zehn Millionen neue Erwerbslos­e. Das gab es noch nie.

Das kurzfristi­g stabilisie­rende Kurzarbeit­ergeld macht aber auch eines deutlich: Zielt Europa vor allem auf das Überleben der Wirtschaft in der Krise, geht es in den USA mehr um die Zeit danach. So soll die »Bazooka« auch den Konsum wieder in Trab bringen: Geplant ist eine Direktzahl­ung von 1200 Dollar an jeden Bürger bis zu einer Gehaltsobe­rgrenze von 75 000 Dollar, damit es schnell wieder zu einem Aufschwung nach der Rezession kommt.

 ?? Foto: AFP/Justin Sullivan ?? Leere Ticketscha­lter am Flughafen San Francisco: Die Airlines sind heiße Kandidaten für die Rettungspa­kete in den USA und Europa.
Foto: AFP/Justin Sullivan Leere Ticketscha­lter am Flughafen San Francisco: Die Airlines sind heiße Kandidaten für die Rettungspa­kete in den USA und Europa.

Newspapers in German

Newspapers from Germany