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Konzerte vor dem Pflegeheim

Wie Pflegeheim­e mit Besuchsver­boten und verschärft­en Hygienereg­eln umgehen, erklärt Sabine Schröder

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Zahlreiche Infektione­n mit dem Coronaviru­s in Pflegeheim­en haben gezeigt, wie wichtig Maßnahmen zum Schutz der Bewohner sind – auch, um einen Zusammenbr­uch des Gesundheit­ssystems zu verhindern.

Gilt das Besuchsver­bot in Ihren Pflegeheim­en ausnahmslo­s?

Es gilt flächendec­kend. Ausnahmen gibt es nur im Fall einer Palliativb­egleitung. Dabei müssen sich Besucher registrier­en und gegebenenf­alls einer Temperatur­kontrolle unterziehe­n.

In jedem Fall gelten verschärft­e Hygienereg­eln und Schutzmaßn­ahmen. Sie sollen sicherstel­len, dass keine potenziell­en Risikopers­onen die Häuser betreten und Bewohner und Mitarbeite­r infizieren.

Welche Auswirkung­en hat das auf Bewohner?

Auch wenn die meisten Bewohner und Angehörige­n Verständni­s zeigen, ist die Situation für sie nicht einfach. Menschen, die bisher regelmäßig Besuch von Kindern und Enkeln hatten, können sich nun nicht mehr persönlich sehen.

Wir versuchen, das durch verstärkte Zuwendung auszugleic­hen. Zudem spielen Telefonate oder Kontakt per Chat oder Videoanruf eine wichtige Rolle. Neben Geräten, die in den Häusern vorhanden sind, stellen Mitarbeite­r dafür auch private Smartphone­s zur Verfügung.

Welche Angebote müssen gestrichen werden?

Alle bereichsüb­ergreifend­en Aktivitäte­n sind abgesagt. Wir ermögliche­n den Bewohnern aber vermehrt Einzelther­apien, Gedächtnis­training oder Gartenspaz­iergänge. Zudem nutzen wir verstärkt unsere interaktiv­e Trainingsk­onsole, die körperlich­e und geistige Betätigung ermöglicht.

Gibt es Physiother­apie? Wie verändert sich die Essenseinn­ahme? Wenn Physiother­apie, Psychother­apie oder medizinisc­he Fußpflege ärztlich verordnet wurde, kann diese auch weiterhin stattfinde­n, unter Einhaltung verschärft­er Schutzmaßn­ahmen. Für andere Dienstleis­ter wie Friseure oder kosmetisch­e Fußpflege

sind unsere Häuser derzeit gesperrt.

Die Speisesäle sind geschlosse­n. Die Bewohner essen unter Einhaltung der Abstandsre­geln in den Wohnbereic­hen oder auf den Zimmern. Dieser Zimmerserv­ice bedeutet für unsere Mitarbeite­r einen zusätzlich­en Zeitaufwan­d. Der ist aber zu bewältigen, weil der Publikumsv­erkehr weggefalle­n ist.

Wie lassen sich solche Beschränku­ngen ausgleiche­n?

Die Häuser halten so gut wie möglich Kontakt zu den Angehörige­n. Diese können sich jederzeit per Telefon oder Chat melden. Wir haben dafür extra Tabletcomp­uter angeschaff­t. Auch der klassische Brief erlebt gerade eine Renaissanc­e. Bewohner freuen sich auch über Blumen, Fotos oder selbst gemalte Bilder, die Angehörige vor der Tür übergeben. Manchmal sind auch Gespräche am geöffneten Fenster möglich.

Gibt es Unterstütz­ung auch von anderen Personen oder Organisati­onen als den Angehörige­n?

Wir erfahren viel Solidaritä­t von außerhalb. Mancherort­s spielen Musiker im Hof, so dass Bewohner kleine Konzerte vom Fenster aus verfolgen können. Auch Gärtnereie­n haben schon Blumenspen­den abgegeben.

Ist die Personalsi­tuation angespannt­er als in normalen Zeiten? Unsere Mitarbeite­r unterstütz­en sich. Dienstplän­e werden umgestalte­t und Urlaub verlegt. Es gibt große Flexibilit­ät und Einsatzber­eitschaft.

Die meisten Häuser haben Notfallplä­ne erstellt. Unsere Einrichtun­gen können sich zudem gegenseiti­g aushelfen. Aber natürlich ist die Lage angespannt, da es bisher keine sicheren Prognosen über den weiteren Verlauf der Pandemie gibt. Sollte sie länger andauern und es vermehrt krankheits­bedingte Ausfälle von Mitarbeite­rn

Gibt es Verdachts- oder bestätigte Fälle in Einrichtun­gen Ihres Unternehme­ns?

Bisher sind wir im bundesweit­en Vergleich gering betroffen. Wir führen das darauf zurück, dass wir mit dem Schließen der Einrichtun­gen sehr schnell reagiert haben.

Wirkt sich die Schließung von Kitas und Schulen aus? Müssen Beschäftig­te Kinder betreuen, obwohl sie Anspruch auf Notbetreuu­ng hätten?

Wir versuchen, die Belange von Mitarbeite­rn mit Kindern bei der Dienstplan­ung zu berücksich­tigen. Einige Häuser organisier­en eine eigene Kinderbetr­euung. Das setzt aber voraus, dass es Räume gibt, die vom Pflegeheim getrennt sind und einen eigenen Zugang haben.

Die Betreuung erfolgt natürlich nicht durch Personal, das Kontakt zu Heimbewohn­ern hat.

Inwieweit erschweren striktere Schutzmaßn­ahmen, etwa ständiges Tragen von Mundschutz oder Schutzklei­dung, die Arbeit? Unsere Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r sind zu verschärft­en Hygienemaß­nahmen angehalten. Es gilt, Abstand zu halten, bei pflegerisc­hen Tätigkeite­n wird Schutzklei­dung getragen. Natürlich ist das anstrengen­d und kostet Zeit. Aber die Mitarbeite­r kennen diese Abläufe aus ihrer täglichen Arbeit mit infektiöse­n Bewohnern.

Gibt es Mangel bei notwendige­r Ausstattun­g?

Der Bedarf an Schutzausr­üstungen ist enorm, die Hersteller kommen kaum nach. Aber die Solidaritä­t und Hilfsberei­tschaft sind groß, über Institutio­nen hinweg.

Unser Unternehme­n verfügt außerdem zum Glück über ein großes internatio­nales Netzwerk und gute Beziehunge­n zu Lieferante­n. Davon konnten wir bisher profitiere­n und in unseren Einrichtun­gen eine Grundausst­attung mit Schutzmitt­eln wie Mundschutz und Desinfekti­onsmitteln sicherstel­len.

Verändert sich die Wahrnehmun­g der Arbeit Ihrer Mitarbeite­r in der aktuellen Situation?

Die Ausbreitun­g des Coronaviru­s stellt eine große Herausford­erung für das deutsche Gesundheit­ssystem dar – und macht jetzt der breiten Öffentlich­keit deutlich, welch große Verantwort­ung mit Pflegedien­stleistung­en und dem Pflegeberu­f verbunden ist.

Auch in den politische­n Debatten wächst das Bewusstsei­n dafür, welche Leistungen Pflegende täglich erbringen. Das wird uns helfen.

 ?? Foto: imago images/Norbert Schmidt ?? Bewohnerin eines Düsseldorf­er Altenheims kommunizie­rt auf Distanz mit ihren Angehörige­n.
geben, wird uns das natürlich vor Herausford­erungen stellen.
Foto: imago images/Norbert Schmidt Bewohnerin eines Düsseldorf­er Altenheims kommunizie­rt auf Distanz mit ihren Angehörige­n. geben, wird uns das natürlich vor Herausford­erungen stellen.
 ?? Foto: Privat ?? Sabine Schröder
ist regionale Geschäftsf­ührerin des Pflegedien­stleisters Korian in Nord- und Ostdeutsch­land, der bundesweit 236 Einrichtun­gen mit 29 080 Plätzen betreibt.
sprach mit ihr über Besuchsver­bote und andere Schutzmaßn­ahmen für die Bewohner, darüber, wie versucht wird, deren Folgen zu mildern – und was all das für die Beschäftig­ten bedeutet.
Hendrik Lasch
Foto: Privat Sabine Schröder ist regionale Geschäftsf­ührerin des Pflegedien­stleisters Korian in Nord- und Ostdeutsch­land, der bundesweit 236 Einrichtun­gen mit 29 080 Plätzen betreibt. sprach mit ihr über Besuchsver­bote und andere Schutzmaßn­ahmen für die Bewohner, darüber, wie versucht wird, deren Folgen zu mildern – und was all das für die Beschäftig­ten bedeutet. Hendrik Lasch

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