Der Mensch und seine Dinge
Bleib daheim und lern es kennen: Die weltweite Viruskrise macht die eigenen vier Wände für alle, die jetzt nicht mehr rausmüssen oder rausdürfen, zum einzigen Spielraum, Labor und Mikrokosmos des täglichen Lebens. In der neuen, unfreiwilligen Dauerkonfrontation mit Gegenständen wie Sofa, Tisch, Stuhl, Staubsauger und Vase gewinnen diese auch sonst immer anwesenden, aber wenig beachteten Dinge des Alltags vielleicht eine neue Bedeutung, die nur mit spielerischem Elan erforscht werden kann.
Und auch die künstlerischen Fotografien von Christoph Ziegler, die die ersten sieben Seiten der vorliegenden Ausgabe dieser Zeitung illustrieren, gewinnen in jenem allgemeinen Ausnahmezustand neue Aktualität und Sinn. Dabei verfolgt der Bildhauer und Performancekünstler sein Projekt »Moebling« nicht erst seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie, sondern bereits seit 2009 – nicht nur in Fotografien, sondern auch in Performances, skulpturalen Arbeiten und partizipatorischen Aufführungen.
Der in Athen lebende Künstler versteht den Wohnraum als einen Rückzugsort für das Private und zugleich als eine ständige Projektionsfläche für die vielfältigen Zwänge und Ritualisierungen unseres Alltags. Seine Selbstporträts zeugen von den unterschiedlichen Daseinszuständen innerhalb der eigenen vier Wände. Mit dem ironischen Verweis auf die Wellness- und Selbstoptimierungskultur, die die Grenzen zwischen Arbeits- und Privatleben zunehmend verwischt, bietet Ziegler mit seiner Moebling-Praxis darüber hinaus insgeheim auch eine Anleitung zum kreativ gymnastischen Experiment mit dem Mobiliar zu Hause.
Die Aufnahmen der Moebling-Fotoserie sind teils als »Selfies« entstanden – und teils in Zusammenarbeit mit Zieglers Lebenspartnerin Loukia Richards.
Mehr zum Künstler: www.christophziegler.com