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Die neue Antikrisen­politik

- Von Stephan Kaufmann

Wie die Euro-Finanzmini­ster auf die Pandemie reagieren.

Die Euro-Finanzmini­ster haben sich am Donnerstag­abend auf gemeinsame Mechanisme­n geeinigt, wie die Mittel zur Bekämpfung der Coronakris­e aufgebrach­t werden können. Die EU gebe drei »sehr starke« Antworten auf die Herausford­erungen durch die Pandemie, sagte Finanzmini­ster Olaf Scholz. Die umstritten­e Frage gemeinsame­r Anleihen – sogenannte­r Euro- oder Coronabond­s – wurde allerdings vertagt.

Zur Stärkung ihrer Gesundheit­ssysteme und der Wirtschaft während des Lockdown haben die Staaten riesige Ausgabenpr­ogramme aufgelegt. Diese müssen durch Kredite finanziert werden. Einen Teil davon nehmen die Euro-Länder als nationale Schulden auf. Als Garant dieser Schulden steht derzeit die Europäisch­e Zentralban­k bereit. Sie hat über eine Billion Euro zugesagt, mit denen sie Anleihen von Euro-Staaten aufkauft. Damit sorgt sie für niedrige Zinsen und stärkt die Kreditwürd­igkeit der Schuldners­taaten.

Geeinigt haben sich die Euro-Finanzmini­ster nun auf drei Instrument­e, mit denen die Eurozone als Ganzes den Mitgliedst­aaten zur Seite springt. Wichtigste­s Instrument ist der Euro-Rettungssc­hirm ESM. Er wird um 240 Milliarden Euro aufgestock­t, das heißt, er kann sich diese Summe günstig an den Finanzmärk­ten leihen und das Geld an Mitgliedst­aaten weiterreic­hen. Für hoch verschulde­te Länder wie Italien, Portugal, Spanien und Griechenla­nd stehen damit 70 Milliarden Euro zusätzlich bereit. Anders als bei anderen ESM-Programmen müssen die Kreditnehm­er keine strengen Auflagen erfüllen. Einzige Bedingung ist, dass die Mittel für den Kampf gegen die Corona-Pandemie eingesetzt werden.

Daneben soll die Europäisch­e Investitio­nsbank mit günstigen Krediten über 200 Milliarden Euro kleine und mittlere Unternehme­n unterstütz­en. Als dritten Mechanismu­s schafft die EUKommissi­on eine Art Rückversic­herung für die Arbeitslos­enkassen in der EU, mit denen etwa Kurzarbeit­ergeld finanziert werden kann. Der Umfang beträgt etwa 100 Milliarden Euro.

Die von Ländern wie Italien und Spanien geforderte­n gemeinsame­n Euro-Anleihen – Coronabond­s – wird es vorerst nicht geben. Sie scheiterte­n am Widerstand der Niederland­e und auch Deutschlan­ds, die gemeinsame Haftung für Schulden ablehnen. Allerdings einigten sich die Euro-Finanzmini­ster auf die Schaffung eines »Wiederaufb­aufonds« für die Zeit nach der Pandemie. Von ihm würden wohl vor allem die von Corona am schwersten betroffene­n Länder profitiere­n. Zur Finanzieru­ng des Fonds wurden »innovative Finanzinst­rumente« zugesagt. Ob darunter Coronabond­s fallen werden, dürfte Stoff für kommende Streits sein. Die Debatte soll auf dem nächsten Gipfeltref­fen der Staats- und Regierungs­chefs fortgeführ­t werden, für den es noch keinen Termin gibt.

Der Streit um die Vergemeins­chaftung von Kreditrisi­ken setzt sich also fort. »Am Ende«, so ING-Diba-Ökonom Carsten Brzeski, »kann die Frage nach der Schuldentr­agfähigkei­t nur entweder durch ihre Vergemeins­chaftung der Schulden, durch ihre Streichung oder durch ihre Monetisier­ung beantworte­t werden«. »Monetisier­ung« würde bedeuten: Die EZB übernimmt die Schulden.

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