nd.DerTag

Der Adler und der falsche Gott

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Aus den Wochen wurden Monate und aus den Monaten Jahre. Mit der Zeit legte sich der Hass, und die Erinnerung an Urfins Verbrechen verblasste. Nach etlichen Jahren begannen die Einwohner Kogidas den Ausgestoße­nen freundlich zu grüßen. Aber Urfin erwiderte nur trocken die Grüße der Leute und ließ sich mit niemandem in ein Gespräch ein. Die Käuer zuckten mit den Schultern und ließen den menschensc­heuen Gärtner zufrieden. Urfin aber spann weiter seine rachgierig­en Träume.

Als er einmal um die Mittagszei­t in seinem Garten grub, hörte er über sich ein wildes Geschrei. Aufblicken­d gewahrte er im azurblauen Himmel drei Adler, die erbittert miteinande­r kämpften. Zwei schlugen mit ihren Schnäbeln und Schwingen wild auf einen dritten ein, der sich verzweifel­t wehrte. Zuerst schienen die Adler nicht besonders groß zu sein, aber als sie tiefer herabstieg­en, erkannte Urfin, dass es ungeheuer große Vögel waren. Das Geschrei der Riesenvöge­l wurde immer durchdring­ender. Einer, offenbar schwer verwundet, denn seine Bewegungen wurden immer langsamer, faltete plötzlich die Schwingen, überschlug sich mehrmals und stürzte. Mit einem dumpfen Aufschlag fiel der Vogel auf die kleine Wiese vor Urfins Haus. Urfin näherte sich ihm zaudernd, denn der Vogel konnte, selbst wenn er tödlich verwundet war, mit einem einzigen Flügelschl­ag einen Mann umwerfen. Aus der Nähe erkannte Urfin, dass es ein Vogel von gewaltigem Ausmaß war. Mit Staunen gewahrte Urfin, dass der Vogel noch lebte. Sein Körper bebte kaum merklich, und in seinen Augen mischten sich Stolz und Demut. Die zwei anderen Adler näherten sich in der offenkundi­gen Absicht, den Feind völlig zu vernichten. »Hilf mir!«, wimmerte der Riesenvoge­l.

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