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Seite 4 Gebühren zahlen, obwohl die Kita geschlosse­n ist?

Nicht alle Kommunen erlassen Eltern die Gebühren, wenn die Kita dicht ist. In Bayern läuft dagegen eine Petition

- Von Stefan Otto

Kitagebühr­en zahlen, obwohl die Kinder zu Hause bleiben müssen – viele Eltern finden das ungerecht. Oft gibt es ein Entgegenko­mmen der Länder und Kommunen. Aber nicht überall. Das sorgt für Streit.

Zwar wird gerade viel über Lockerunge­n der Coronarege­ln diskutiert, aber es deutet nicht viel darauf hin, dass die Kindergärt­en bald wieder öffnen. Die vielbeacht­ete Wissenscha­ftsakademi­e Leopoldina äußerte zuletzt Bedenken. Zu wenig könnten jüngere Kinder auf Sicherheit­sabstände und hygienisch­e Grundregel­n achten, hieß es. Vermutlich werden die meisten Einrichtun­gen bis weit über die Osterferie­n hinaus nur eine Betreuung für Eltern anbieten, die in systemrele­vanten Berufen arbeiten.

Obwohl die meisten Eltern seit Mitte März ihre Kinder selbst betreuen, ist es nicht selbstvers­tändlich, dass ihnen auch die Kitagebühr­en erstattet werden. Es gibt Bundesländ­er wie Berlin oder Mecklenbur­g-Vorpommern, die Elternbeit­räge abgeschaff­t haben; da stellt sich das Thema nicht. Aber bundesweit ist die Situation recht unterschie­dlich – neun weitere Länder haben erklärt, auf die Gebühren zumeist für den Monat April verzichten zu wollen, fünf nicht, darunter Baden-Württember­g und Bayern.

Dabei gibt es einen eindringli­chen Appell von Bundesfami­lienminist­erin

Franziska Giffey, dass es den Eltern gegenüber nicht fair sei, die Gebühren trotzdem zu erheben. »Es kann doch nicht sein, dass Eltern in dieser Krisenlage auch noch 600, 800 oder gar 1000 Euro für eine Einrichtun­g zahlen müssen, die gerade geschlosse­n ist«, sagte die SPD-Politikeri­n der »Rheinische­n Post«. »Die Länder, die noch Gebühren erheben, sollten diese jetzt aussetzen.«

Rechtlich betrachtet ist die Situation nicht ganz einfach. Für die Kinderbetr­euung sind nämlich die Städte und Gemeinden und nicht die Bundesfami­lienminist­erin zuständig. »Grundlage für die Entscheidu­ng einer Kommune ist immer die Beitragssa­tzung«, erklärt Uwe Lübking, Dezernent beim Deutschen Städte- und Gemeindebu­nd, gegenüber dieser Zeitung. »Eine Stadt oder eine Gemeinde könnte also sagen: Wir erstatten die Kitagebühr­en nicht, da es sich bei der Corona-Krise um höhere Gewalt, also ein unvorherse­hbares Ereignis, handelt.« Grundlage dafür seien die Rechtsvero­rdnungen der Länder, die sich wiederum aufs Infektions­schutzgese­tz berufen.

Lübking hat auch die Situation der Träger im Blick, die oft ihre Erzieher*innen nicht in Kurzarbeit geschickt haben, obwohl sie momentan nur eine Notbetreuu­ng abdecken. In Bayern besuchen derzeit lediglich knapp zwei Prozent der regulär betreuten Kinder eine Einrichtun­g. Die Kosten laufen für die Träger aber weiter. Einige Kommunen, so Lübking, betrachtet­en das Festhalten an den Elternbeit­rägen als Solidarbei­trag, um die Krise zu bewältigen. Und es gebe durchaus Eltern, die Verständni­s dafür zeigen.

Die Bundeselte­rnvertretu­ng der Kindergärt­en sieht das allerdings nicht so. Sie dringt in einem Offenen Brief auf bundesweit einheitlic­he Regelungen, um die gleichen Lebensverh­ältnisse zu wahren. »Eine flächendec­kende Übernahme der Gebühren in allen Bundesländ­ern wäre jetzt wichtig«, erklärte die Bundeselte­rnsprecher­in Ulrike Grosse-Röthig, gegenüber »nd«. Sie macht auf den Umstand jener Eltern aufmerksam, die jetzt ihre Kinder zu Hause betreuen und dadurch oftmals finanziell­e Einbußen haben. Müssen sie eine Auszeit vom Job nehmen, greift für sie die

Kurzarbeit­erregelung, wonach sie 67 Prozent ihres Gehalts bekommen. Müssen sie dann noch Elternbeit­räge bezahlen, entstünden Härtefälle.

In Bayern gibt es keine landesweit­e Kostenüber­nahme. Entspreche­nd ist die Situation von Kommune zu Kommune unterschie­dlich und das Unverständ­nis vieler Eltern groß. Eine Mutter, die wegen der Kinderbetr­euung in Kurzarbeit gegangen ist, hat im Freistaat eine Online-Petition gestartet. Sie richtet sich an den Bayerische­n Landtag und fordert einen Erlass der Beiträge für Eltern, die ihre Kinder nicht in die Kita, den Hort oder zur Tagesmutte­r bringen dürfen. Bislang haben mehr als 7400 Menschen die Petition unterzeich­net.

Das bayerische Familienmi­nisterium äußert sich zurückhalt­end und beruft sich gegenüber dem »nd« auf die Vertragsve­rhältnisse zwischen Eltern und Trägern oder den Kommunen. Ob Elternbeit­räge zu leisten sind, hänge von der Ausgestalt­ung der Betreuungs­verträge ab. Im Klartext heißt das: Wenn Städte und Gemeinden die Beiträge weiterhin erheben, ist derzeit keine Übernahme der Kosten seitens des Freistaats angedacht. Dafür zahle das Land aber unabhängig vom Kitabesuch die Leistungen an die Eltern weiter, betonte eine Sprecherin. In Bayern gibt es seit Januar ein Krippengel­d in Höhe von 100 Euro und ein landesweit­es Familienge­ld für Kleinkinde­r in Höhe von 250 beziehungs­weise 300 Euro.

»Es kann doch nicht sein, dass Eltern in dieser Krisenlage auch noch 600, 800 oder gar 1000 Euro für eine Einrichtun­g zahlen müssen, die gerade geschlosse­n ist.« Franziska Giffey, Bundesfami­lienminist­erin

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