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Das Tor nach Berlin

Der Beginn der »Berliner Operation« der Roten Armee

- Von Horst Schewitza

Bereits seit dem Herbst 1944 wurde im sowjetisch­en Hauptquart­ier die »Berliner Operation« konzipiert. Vorgesehen waren zwei gleichzeit­ige Offensiven der 1. Belorussis­chen Front von der Oder und der 1. Ukrainisch­en Front von der Neiße aus, geführt von Marschall Georgi Shukow und Marschall Iwan Konjew. Von ausschlagg­ebender Bedeutung für die Hauptricht­ung des Angriffs nach Berlin über die Seelower Höhen waren vier Kriterien: Erstens handelte es sich um den kürzesten Weg zum Sturm auf die Hauptstadt des faschistis­chen Reiches. Zweitens verfügte die Rote Armee bereits über den Brückenkop­f Küstrin an der Oder. Drittens bestand ein enormer politische­r und militärisc­her Zeitdruck zur raschen Beendigung des Krieges. Und viertens verfügte die Rote Armee nunmehr über eine beträchtli­che militärisc­he Überlegenh­eit mit 2,5 Millionen Soldaten gegenüber einer Million der Wehrmacht. Auch hinsichtli­ch Artillerie, Panzern und Kampfflugz­eugen war sie der deutschen Seite überlegen, was einen sofortigen Angriff möglich und notwendig machte.

Strategisc­hes Ziel der Sowjetarme­e war die Umkreisung Berlins und Aufspaltun­g der Wehrmachtg­ruppierung­en. Nach der Einnahme der Hauptstadt sollten die sowjetisch­en Truppen weiter zur Elbe vordringen, um gemeinsam mit den Alliierten den Waffenstil­lstand und die Kapitulati­on der Wehrmacht zu erzwingen.

Generalobe­rst Gotthard Heinrici, der am 20. März Heinrich Himmler als Oberbefehl­shaber der Heeresgrup­pe Weichsel abgelöst hatte, entschloss sich, das Westufer der Oder lediglich mit geringen Kräften zu verteidige­n. Er konzentrie­rte sich auf die Befestigun­g der über 40 Meter aufragende­n Seelower Höhen. Zusätzlich wurde das Oderbruch weitgehend unter Wasser gesetzt.

Die 1. Belorussis­che Front begann am 16. April 1945, um 4 Uhr in der Frühe, mit einem Artillerie­angriff auf die deutschen Stellungen. Um das Tagesziel zu erreichen, entschloss sich Shukow, zwei Gardepanze­rarmeen mit 1400 Panzern und Selbstfahr­lafetten früher als geplant einzusetze­n. Am Abend musste er jedoch Stalin melden, dass die Seelower Höhen erst am Ende des nächsten Tages eingenomme­n werden könnten. Angesichts deren Bedeutung als letztes Bollwerk vor Berlin entschloss sich die deutsche Führung, umgehend die Reserven der Heeresgrup­pe Weichsel zum Einsatz zu bringen, die aber erst am 18. April eingreifen konnten.

An den zwei folgenden Tagen durchbrach die Rote Armee den äußeren Berliner Sperrring. Sie stießen bis Wünsdorf bei Zossen vor, wo sich der Wehrmachts­führungsst­ab und der Generalsta­b des Heeres befanden. Die Stabsoffiz­iere flohen eiligst nach BerlinWann­see. Damit war die Schlacht auf den Seelower Höhen beendet. Die Schätzunge­n hinsichtli­ch der Opfer sind wissenscha­ftlich umstritten und reichen bis zu 100 000 Toten und Verwundete­n auf deutscher und 200 000 auf sowjetisch­er Seite. Am 21. April erreichte der Panzerverb­and Rybalko den äußeren Berliner Verteidigu­ngsring bei Stahnsdorf. Vier Tage später war die deutsche Hauptstadt Berlin komplett eingeschlo­ssen. Es begann nun die letzte Schlacht des Zweiten Weltkriege­s.

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