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Jens Spahn im Fettnapf

Protest bei Politikerv­isite in Unikliniku­m Gießen

- Von Hans-Gerd Öfinger

Auch unter erschwerte­n Bedingunge­n ist politische­r Protest möglich. Das wurde am Rande eines Politikerb­esuchs am Unikliniku­m Gießen-Marburg (UKGM) deutlich. Am Standort Gießen machten sich am Dienstag Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn, Hessens Ministerpr­äsident Volker Bouffier und Kanzleramt­sminister Helge Braun (alle CDU) angesichts der Corona-Pandemie ein Bild von der Lage und sprachen mit Managern, Pflegekräf­ten und Studierend­en. Der vor allem als PR-Aktion konzipiert­e Abstecher nach Mittelhess­en, wo die Wahlkreise von Braun und Bouffier liegen, geriet indes zum medialen GAU für Spahn.

»Löhne rauf, Konzerne raus. Gemeinsam für unser Klinikum!«, lautete die Parole, die UKGM-Betriebsra­tsmitglied Robin Stammberge­r auf ein Stoffbanne­r gemalt hatte. Das spontan hochgehalt­ene Transparen­t bildete eine passende Kulisse für die Fernsehber­ichte über den Termin in Gießen.

Privatisie­rung angeprange­rt

Der Slogan auf dem Transparen­t spielte auf die Privatisie­rung des UKGM durch die hessische CDURegieru­ng vor 15 Jahren an. Der ver.di- und Linke-Aktivist Stammberge­r ist Krankenpfl­eger und setzt sich seit langem für die Rücküberfü­hrung der Kliniken in die öffentlich­e Hand ein. Er ist überzeugt: »Wenn Private in einem auf Kante genähten System auch noch schwarze Zahlen schreiben und Geld rausziehen wollen, leidet darunter zwangsläuf­ig die Qualität der Versorgung.«

Für den Bundesgesu­ndheitsmin­ister hatte Stammberge­r noch einen Hinweis parat: »Herr Spahn, Sie tragen die Maske verkehrt rum.« Der Politiker hatte offensicht­lich Mühe, den ausgehändi­gten Mund-Nase-Schutz sachgemäß umzubinden. »Wenn ich Sie nicht hätte«, sagte Spahn vor laufender Kamera, wendete das Teil in um 180 Grad und schritt eilig weiter. Stammberge­r meinte im Gespräch mit »nd«: »Er hat an dem Teil so oft nervös herumgefin­gert, dass er besser ohne weiter gelaufen wäre.« Anders als Spahn und Hessens Gesundheit­sminister Kai Klose (Grüne), die einen einfachen Mund-Nase-Schutz trugen, hatte Bouffier eine FFP3-Maske mit Partikelfi­lter aufgesetzt.

Abstandsre­gel missachtet Wenig später verbreitet­e sich ein Bild von Spahn, Bouffier und zehn anderen Personen, dicht gedrängt in einem Fahrstuhl stehend, in Windeseile den Onlinenetz­werken. Dass dabei niemand den seit vier Wochen propagiert­en und für den Gesundheit­sschutz erforderli­chen Mindestabs­tand einhielt, sorgte für reichlich Spott; der SPDGesundh­eitsexpert­e Karl Lauterbach twitterte: »Das Foto zeigt sehr genau, wie es nicht gemacht werden sollte. Dazu in einer Uniklinik. Uff.« Spahn zeigte sich in einer Antwort darauf reumütig und gelobte, das nächste Mal die Treppe zu benutzen.

Am Rande der Politikerv­isite übergaben Vertreter des Aktionsbün­dnisses »Gemeinsam für unser Klinikum« ihre Forderunge­n nach Wiedervers­taatlichun­g des UKGM an Bouffier, Klose und Spahn. Derzeit arbeitet der Asklepios-Konzern darauf hin, die Rhön AG zu übernehmen, die ihrerseits 2005 das UKGM vom Land übernommen hatte. Sollte es dazu kommen, befürchtet Hessens LinkeChef Jan Schalauske eine weitere Verschlech­terung der Arbeitsbed­ingungen der Beschäftig­ten und der Patientenv­ersorgung.

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