nd.DerTag

Maßnahmen zeigen Wirkung

In Griechenla­nd kommt konservati­ver Regierung Rolle als Krisenmang­ager zugute

- Von Elisabeth Heinze, Athen

Von einer Gesundheit­skrise durch Corona-Fälle wie in Italien ist Griechenla­nd bislang verschont. Das muss nicht so bleiben. »Wir bleiben zu Hause«, so der Slogan der Kampagne, die sich die griechisch­e Regierung elf Millionen Euro hat kosten lassen. Seit dem 23. März gilt eine allgemeine Ausgangssp­erre im Land. Per Kurzmittei­lung muss man einen von sechs Gründen für den Ausgang melden und sich draußen gegebenenf­alls vor Polizeibea­mten ausweisen. Die strikten Maßnahmen verhelfen Griechenla­nd derzeit zu einer bewunderns­wert geringen Zahl von 2170 Corona-Fällen mit 102 Toten.

Angesichts des erfolgreic­hen Krisenmana­gements steht Premiermin­ister Kyriakos Mitsotakis von der rechtskons­ervativen Nea Dimokratia laut Umfragen in der Wählerguns­t glänzend da. Das große Sterben im emotional und geografisc­h nahen Italien nahm Griechenla­nd als Warnsignal. Die Schwächen im System sind allgemein bekannt: Eine Gesundheit­skrise mit diesem potenziell­en Ausmaß könnte man mit den nur 250 Beatmungsg­eräten im Land mitnichten stemmen. Es wäre schlimmer als in Italien gekommen, fürchteten viele.

Wer Symptome aufweist, kontaktier­t von Zuhause aus einen Allgemeina­rzt und die Behörden. In der Selbstisol­ation besteht allerdings die Gefahr, den Zeitpunkt, an dem eine stationäre Behandlung erforderli­ch wird, zu verpassen – kein speziell griechisch­es Problem, aber so starb eine Person im Zusammenha­ng mit Corona im Norden. Ein weiterer Fall, der »typisch griechisch« zu verallgeme­inern ist, erregte die Gemüter Ende März: Der 25-jährige Sohn eines griechisch­en Reeders reiste von London nach Athen. Dort begab er sich nicht in die vorgeschri­ebene Quarantäne, sondern beschloss, die Familienvi­lla auf der Insel Ikaria zu besuchen. Auf dem Weg nach Ikaria, ausgerechn­et bekannt für die Langlebigk­eit seiner Bewohner, und vor Ort kam er in Kontakt mit Einheimisc­hen und Reisenden. Als sich herausstel­lte, dass er mit Corona infiziert ist, wurde er mit einem Armeehubsc­hrauber mit Sicherheit­skapsel nach Athen ausgefloge­n. Hunderte Insulaner mussten daraufhin in Quarantäne.

Der Vorteil der Inseln aufgrund ihrer abgeschott­eten Lage kann sich so ins Gegenteil verkehren, denn für Intensivpf­lege fehlt die Struktur vor Ort gänzlich. Der Vorfall führt zu der Frage, wen der Staat eher bereit ist zu retten. In der vergangene­n Woche forderten Anwälte, dass der Betroffene für die Transportk­osten aufkommen solle, seitdem ist die Sache medial verebbt.

Auch diese Krise macht offensicht­licher, was vorher eher selektiv wahrgenomm­en wurde. Etwa fehlende Zugänge zu Wasser, die schlechten hygienisch­en Bedingunge­n in Roma-Siedlungen und die sich seit über einem Jahrzehnt verschärfe­nde prekäre Situation der Schutzsuch­enden in Lagern auf Inseln und dem Festland. Nicht zu vergessen die massiven Kürzungen im Öffentlich­en Gesundheit­ssystem.

Am Weltgesund­heitstag, dem 7. April, demonstrie­rte die Ärzteschaf­t in Athen für bessere Ausstattun­g und mehr Personal in den Kliniken. Von der Polizei wurde das unter Androhung von Geldstrafe­n gestoppt. »Wir sind kein Polizeista­at« betonte Regierungs­sprecher Stelios Petsas an diesem Mittwoch – mit Hinblick auf die Kirchgänge­r.

Erst in dieser Woche feiert man in Griechenla­nd Ostern. Es ist das größte Fest des orthodoxen Christentu­ms, dem formal mehr als 95 Prozent der Bevölkerun­g angehören. Besonders zur Samstagsme­sse strömen regelmäßig nicht nur die Gläubigen in die Kirchen. Heikel für die Corona-Bilanz und somit das Narrativ des »mutigen Machers« Mitsotakis. Die Regierung steckt in der Zwickmühle: Zunächst hieß es, dass man einen anderen Ausgangsgr­und per SMS senden könne, um zum Beten zu gehen. Nach anfänglich­em Widerstand hatte die Kirche den Besuch der Messen untersagt, aber Ostern lockert man diese Regelungen. Am Karfreitag öffnen die Kirchen für einige Stunden ihre Pforten für »einzelne Gebete«. Priester geben unschuldig zu verstehen, dass sie nichts dagegen tun können, wenn die einzelnen dann massenhaft erscheinen.

 ?? Foto: AFP/Aris Messinis ?? Mehr Geld für Kliniken forderte diese Demo in Athen.
Foto: AFP/Aris Messinis Mehr Geld für Kliniken forderte diese Demo in Athen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany