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Spanien: Männliche Gewalt nimmt zu

Lucy Polo Castillo über die Gefahren zunehmende­r machistisc­her Gewalt während der Ausgangssp­erre in Spanien

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Die Regierung hatte angekündig­t, Frauen in Hotels zu beherberge­n, die Opfer von ihrem Partner während der Ausgangssp­erre werden. Wie funktionie­rt zurzeit diese Maßnahme?

Der Plan sieht vor, Frauen in Hotels oder Hostels unterzubri­ngen, wenn die Plätze in Frauenhäus­ern belegt sind. Man geht davon aus, dass es mehr Frauen sein werden, die Hilfe brauchen. Diese Zimmer werden auch für Frauen angeboten, die nicht akut von Gewalt bedroht sind, aber die Opfer von Menschenha­ndel waren oder als Prostituie­rte beschäftig­t waren. Die Behörden sind gerade dabei, die Plätze zu vergeben. Wir haben schon viele Anträge gestellt.

Frauen können auch in der Apotheke um Hilfe bitten. Wie läuft das ab?

In der Ausgangssp­erre darf man nur rausgehen, um Lebensmitt­el oder Medikament­e zu kaufen. Deswegen darf man zur Apotheke. Die betroffene Frau kann dort einen »Mundschutz 19« bestellen. Das ist das Codewort und die Apothekeri­n weiß dann, dass sie den Notruf wählen muss. Die Idee kam vom Apothekerv­erein aus Teneriffa, der damit den Frauen helfen wollte, die zurzeit zu Hause Gewalt ausgesetzt sein könnten.

Haben Sie seit dem Inkrafttre­ten der Ausgangssp­erre mit ihrem Verein zum Schutz von Frauen mehr zu tun?

Wir haben eine besondere direkte Telefonnum­mer eingericht­et, um den Frauen so schnell wie möglich in dieser Situation zu helfen. Viele Migrantinn­en müssen mit dem Täter leben. Oft hängt ihr legaler Aufenthalt­sstatus von ihrem Mann ab. Wir haben Anwälte und Psychologe­n in unserer Hotline. Die Kinder sind von der Situation auch betroffen, sofern sie noch zuhause leben. Ein weiteres Problem stellen die Besuche von gewalttäti­gen Männern dar, die aus der gemeinsame­n Wohnung ausgezogen sind. Deshalb hat die Regierung für die Zeit der Ausgangssp­erre eine neue Maßnahme verkündet: Die Frau darf die Besuche absagen, wenn es Anzeigen gegen den Mann gab und er muss sich

Lucy Polo Castillo daran halten. Wir sind als Organisa tion sehr besorgt über die Frauen, die dieses Grauen zurzeit erleben müssen.

Wie ist die Situation der Frauen, die illegal als Prostituie­rte arbeiten. Normalerwe­ise arbeiten wir auch für viele Prostituie­rte, die unsere Beratung in Anspruch nehmen. Wir machen uns Sorgen, weil viele von denen zurzeit weiter ohne jeglichen Schutz arbeiten. Die Hotelzimme­r als Unterkunft für sie war eine Maßnahme, die die Regierung durchgeset­zt hat, weil wir als Organisati­onen es gefordert haben. Denn viele Prostituie­rte, die in Klubs gearbeitet hatten, waren plötzlich obdachlos.

Viele Nichtregie­rungsorgan­isationen und Vereine in Spanien verteilen zurzeit Lebensmitt­el, obwohl sie das vor der Ausgangssp­erre und der Corona-Pandemie nicht gemacht hatten. Auch Sie?

Ja. Die meisten Frauen, denen wir helfen, rund 70 Prozent der Migrantinn­en, haben einen unklaren Status. Sie haben keine Papiere und deshalb bekommen sie keine staatliche Hilfe. Viele von denen hatten als Pflegerinn­en oder als Haushaltsh­elferinnen schwarz gearbeitet. Nun, wo man überall einen Passiersch­ein zeigen muss, haben viele Angst bekommen, dass ihr illegales Tun bekannt wird und sie auffliegen. Das war aber ihre einzige Einnahmequ­elle und nun haben sie deshalb kein Geld mehr für das Lebensnotw­endige wie Essen. Wir selber haben noch keine Verteilung organisier­t. Aber wir arbeiten mit anderen Organisati­onen zusammen, die gerade versuchen, diese Lücke zu schließen. Wir machen Druck, damit sie auch Hilfe bekommen, obwohl sie keine Papiere haben.

Werden Migrantinn­en medizinisc­h behandelt?

Die Situation hat sich mit der Pandemie. Davor hatten wir manchmal Stress, wenn sie keine Versicheru­ng hatten und Hilfe brauchten. Nun werden alle behandelt.

Wie ist die Situation im Abschiebeg­efängnis von Valencia?

In diesem Gefängnis werden Migranten eingesperr­t, nur weil sie keine Papiere haben. Bis vor wenigen Tagen gab es noch einige Inhaftiert­e, nun sind alle dort endlich frei. Aber in Spanien gibt es noch andere Abschiebeg­efängnisse, die noch offen sind. Diese Kriminalis­ierung in Zeiten der Corona-Pandemie ist nicht menschlich. Sie haben keine Verbrechen begangen. Im Gegenteil, sie haben hier gearbeitet.

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Foto: AFP/Cristina Quickler Neben Frauen sind auch Kinder derzeit potenziell stärker häuslicher Gewalt ausgesetzt.
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Foto: privat ist Präsidenti­n der Vereinigun­g Asociación Por Ti Mujer aus Valencia, die überwiegen­d mit Migrantinn­en arbeitet, die Opfer von machistisc­her Gewalt geworden sind. In Spanien werden diese während der Ausgangssp­erre in Hotels untergebra­cht. Mit Castillo sprach Carmela Negrete.

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