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Studierend­en brechen die Nebenjobs weg

SPD fordert Öffnung des Bafög, was die Ministerin rigoros ablehnt

- Von Stefan Otto

Viele Studierend­e sind während der Coronakris­e in eine Notlage geraten. Sie jobben in Cafés, auf Messen, übernehmen Bürotätigk­eiten – oft in Branchen, die vom Shutdown besonders betroffen sind. Für fast jeden zweiten Studierend­en im Nordosten ist der Nebenerwer­b derzeit ausgesetzt worden, wie eine Befragung von 3000 Studierend­en ergab, die der Allgemeine Studierend­enausschus­ses (Asta) in Mecklenbur­gVorpommer­n durchgefüh­rt hat. 15 Prozent arbeiten demnach weniger, etwa genau so vielen wurde gekündigt. Als Reaktion auf diese Notlage forderte der Asta unbürokrat­ische Hilfen: »Entscheidu­ngen müssen jetzt getroffen werden. Ansonsten werden einige ihr Studium aus der Not heraus abbrechen müssen«, sagte Asta-Sozialrefe­rentin Charlotta Sieve.

Wie solche Hilfen aussehen können, darüber streitet gerade auch die Große Koalition. Die SPD plädiert für eine umgehende Öffnung der Ausbildung­sförderung. Studierend­e, die eigentlich nicht Bafög-berechtigt sind, aber für ihren Lebensunte­rhalt jobben müssen, sollen kurzzeitig gefördert werden.

»Sie haben jetzt ihren Job verloren und müssen hinterher noch mehr arbeiten, um den Kredit abzuzahlen.«

Achim Meyer auf der Heyde, Deutsches Studentenw­erk

Bundesbild­ungsminist­erin Anja Karliczek (CDU) hatte einen solchen Schritt in dem Brief an die Kultusmini­sterkonfer­enz vom Freitag als »nicht zielführen­d« bezeichnet. Das Bafög solle »nicht als reiner Zuschuss missversta­nden werden«. Zudem würde ein solches Vorgehen »ein entspreche­ndes parlamenta­risches Gesetzgebu­ngsverfahr­en nach sich ziehen«, was zu lange dauere. Sie schlägt indes vor, Studierend­en ein zinsloses Darlehen zu gewähren.

Für den bildungspo­litischen Sprecher der SPD-Fraktion, Oliver Kaczmarek, ist das jedoch nicht hinnehmbar. Ohnehin würden Hilfen derzeit sehr unterschie­dlich gewährt: Soloselbst­ständige oder Mittelstän­dler etwa erhielten Zuschüsse, die sie nicht zurückzahl­en müssen. Studierend­e sollten aber Kredite erhalten.

Die SPD stellt sich mit der Forderung auf die Seite des Deutschen Studentenw­erks (DSW), das in einer Kreditaufn­ahme, wie sie Karliczek anstrebt, eine doppelte Bestrafung sieht. »Sie haben jetzt ihren Job verloren und müssen hinterher noch mehr arbeiten, um den Kredit abzuzahlen«, sagte DSW-Generalsek­retär Achim Meyer auf der Heyde. Auch er sprach sich für eine Öffnung des Bafög aus. Ebenso der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB). Deren VizeVorsit­zende, Elke Hannack, formuliert­e es so: »Der Ausschluss weiter Teile der Studierend­en vom Bafög in der Krise« müsse aufgehoben werden. Tatsächlic­h wurden 2018 nur noch 13 Prozent der Studierend­en gefördert.

Nicole Gohlke, Bildungsex­pertin der Linksfrakt­ion, meinte gar, das Bafög sei in den vergangene­n Jahren »kaputtgewi­rtschaftet« worden. Sie regte dazu an, über die Ausbildung­sförderung generell nachzudenk­en. Ganz konkret sollten aber nicht abgerufene BafögGelde­r in Höhe von 920 Millionen Euro aus dem vergangene­n Haushalt als Soforthilf­e für Studierend­e eingesetzt werden.

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