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Juristen streiten übers Arbeitsrec­ht

- Von Peter Nowak

Soll in der Coronakris­e das Arbeitsrec­ht gelockert werden, um Unternehme­n das Weitermach­en zu erleichter­n? Jurist*innenverbä­nde sind sich uneins in dieser Frage.

In Zeiten von Corona sind Grundrecht­e wie Versammlun­gs- und Demonstrat­ionsfreihe­it massiv eingeschrä­nkt. Doch auch die Gewerkscha­ftsrechte könnten bedroht sein, worauf der Verein Demokratis­cher Jurist*innen (VDJ) in einer gerade veröffentl­ichten Stellungna­hme hinweist. Die Covid19-Pandemie dürfe nicht für einseitige­n Lobbyismus genutzt werden, mahnen die Jurist*innen.

Die Gruppe stellt sich damit auch gegen ihre Berufskoll­eg*innen vom Deutschen Anwaltsver­ein (DAV). Die mit 62 000 Mitglieder­n größte Interessen­vertretung der Branche hatte in einer eigenen Stellungna­hme geschriebe­n: »Da die Unternehme­n auch zur Einführung von Kurzarbeit auf die rechtssich­ere Mitwirkung der Betriebsrä­te dringend angewiesen sind, muss die Handlungsf­ähigkeit der Betriebspa­rtner gewährleis­tet sein.« Daher schlägt der DAV ein zunächst bis Ende 2020 befristete­s »arbeitsrec­htliches Pandemiebe­kämpfungsg­esetz« als Ergänzung des Betriebsve­rfassungsg­esetzes vor.

Interessen der Beschäftig­ten werden vernachläs­sigt

Der VDJ moniert nun, dass der Anwaltsver­ein mit seinen Vorschläge­n vor allem die Interessen der Wirtschaft berücksich­tige und die Interessen der Beschäftig­ten vernachläs­sige. »Während der Vorschlag zur Beschlussf­assung der Arbeitnehm­er interessen­vertretung› im Umlauf verfahren‹ noch als Versuch eines Beitrags zur Gewährleis­tung der Handlungsf­ähigkeit der Betriebs parteien gewertet werden mag, haben alle anderen Vorschläge eine Schwächung der kollektive­n Interessen­vertretung, der Privat autonomie der Beschäftig­ten und der sie schützende­n Gesetze zum Gegenstand und dienen allen der Verwirklic­hung von Arbeitgebe­r interessen «, heißt es inder von zahlreiche­n kritischen Arbeitsrec­htl er* innen unterzeich­neten Stellungna­hme. Schutzrech­te von Beschäftig­ten, diegera dein CoronaZeit­en besonders aktuell seien, würden hingegen nicht erwähnt.

Aus der Wunschlist­e der Wirtschaft­sverbände Bemängelt wird ferner, dass der DAV an mehreren Punkten Vorschläge für eine Schwächung der Betriebsra­ts arbeit mache, die mit der Corona-Pandemie in keinem Zusammenha­ng stünden. Als Beispiel wird der Einführung eines Dr eier ausschusse­s genannt, der aus dem Betriebsra­ts vorsitzend­en und zwei weiteren Betriebs ratsmitgli­edern bestehen solle und während der Pandemie die Aufgaben des Gesamt betriebsra­ts wahrnehmen solle. Der VDJ wirft dem Anwalts verein vor, eine altbekannt­e Wunschlist­e der Wirtschaft­sverbände aufzuliste­n, die zumindest temporär umgesetzt werden solle. Dazu gehörten auch die Ermöglichu­ng längerer Arbeitszei­ten und die Aufweichun­g des Arbeitnehm­er überlassun­gs gesetzes zur Leih arbeit. Zudem schlägt der DAV eine Klausel vor, in Betrieben ohne Interessen­vertretung die Einführung von Kurz arbeit zu ermögliche­n, wenn mindestens zwei Drittel der Beschäftig­ten dem zustimmen. Hier werde die Privat autonomie der Beschäftig­ten per Federst ich abgeschaff­t, kritisiere­n die kritischen Jurist*innen.

Sie fordern den DAV auf, die einseitige Stellungna­hme zurückzuzi­ehen, und verlangen eine kritische Auseinande­rsetzung damit. Der Verein vertrete die falsche wie weit verbreitet­e Vorstellun­g, dass die Interessen von Wirtschaft und Gesellscha­ft identisch seien.

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