Krisenopfer US Post
Während in den USA derzeit die Privatwirtschaft gerettet wird, droht dem staatlichen Dienst das Aus
Der staatliche Postdienst der USA steht wegen der Coronakrise vor der Zahlungsunfähigkeit. Präsident Trump verweigert ihm finanzielle Hilfen – aus politischem Kalkül.
Claudia Miles, Musikmanagerin aus Kalifornien, kaufte kürzlich ein Briefmarkenheft mit dem Bild des verstorbenen afroamerikanischen Sängers Marvin Gaye. »Ich möchte auch per Post abstimmen können«, twitterte sie. »Lasst uns alle Briefmarken kaufen und das Postamt retten.«
Miles gehört zu den Tausenden von US-Amerikanern, die sich der Solidaritätskampagne #buystamps für US Post angeschlossen haben. Es sei klar, dass dieser Dienst »den Sommer ohne sofortige Hilfe des Kongresses und des Weißen Hauses nicht überleben wird«, erklärten die demokratischen Abgeordneten Carolyn Maloney aus New York und Gerry Connolly aus Virginia. Auch Mark Dimondstein, Präsident der Gewerkschaft American Postal Workers Union, warnt vor einer Liquiditätskrise, da »das Postaufkommen einbricht«.
United States Postal Service (USPS) ist eine unabhängige Behörde mit Sitz in Washington. Der Staats konzern mit über 600000 Mitarbeitern, darunter einem dank Antidiskri mini erungs vorschriften hohen Anteil an Afroamerikanern, ist für die Grundversorgung zuständig und liefert Briefe wie auch Medikamente oder Lebensmittel bis in den hintersten Winkel der USA. Das Postamt ist in vielen Kleinstädten eine wichtige Anlaufstelle des öffentlichen Lebens.
Die Ursprünge gehen auf das Jahr 1775 zurück, als der spätere Staatsgründer Benjamin Franklin der erste General post meister wurde. Seit Jahren schreibt US Post wegen der Konkurrenz privater Zusteller wieFed Ex und UPS, wegen des zunehmenden EMail-Verkehrs, des Rufs als »Schneckenpost« und hinderlicher Vorschriften rote Zahlen. Die Coronakrise könnte das Schicksal besiegeln. Gerechnet wird mit einem Umsatzrückgang um monatlich zwei Milliarden Dollar etwa durch den Wegfall von Werbesendungen, auch wenn wichtige Dokumente und Waren weiter zugestellt werden. Mehr als 500 Postangestellte sind positiv auf das Virus getestet worden; Zusteller klagen über einen Mangel an Schutzkleidung und Infektionsmitteln. Mehr als 6000 befinden sich derzeit in Quarantäne, mindestens 19 sind gestorben.
USPS-Chefin Megan Brennan forderte kürzlich ein Rettungspaket in Höhe von 50 Milliarden Dollar zur Stabilisierung des Dienstes und ein 25Milliarden-Darlehen, um einen Teil der Schulden von gut 160 Milliarden Dollar zu refinanzieren und unvorhergesehene Ausgaben zu decken. Ein Großteil der Schulden ist auf ein Gesetz aus dem Jahr 2006 zurückzuführen, das die Post zwingt, hohe Rückstellungen für die Altersvorsorge der Mitarbeiter zu bilden. Die private Konkurrenz muss dies nicht tun.
Trotz der finanziellen Probleme und seiner Langsamkeit ist der staatliche Postdienst sehr beliebt. Laut einer Umfrage des Pew Research Center schätzen 91 Prozent der Bürger diesen positiv ein – dies ist die höchste Bewertung aller Bundesbehörden.
Doch als im Kongress das Hilfspaket in Höhe von 2,2 Billionen Dollar für die Wirtschaft ausgehandelt wurde, blockierten das Weiße Haus und die konservativen Republikaner im Senat eine Geldspritze von 13 Milliarden für den Postdienst. Dafür werden 500 Millionen an die private Konkurrenz vergeben. Die Demokraten, die im Repräsentantenhaus die Mehrheit haben, sicherten einen Kredit von 10 Milliarden Dollar für die Behörde zu, aber das US-Finanzministerium muss diesem noch zustimmen. Die Unterstützer hoffen zudem, dass Mittel aus Konjunkturprogrammen kommen könnten, über die derzeit in Washington verhandelt wird.
Beobachter mutmaßen politische Gründe für die bislang verweigerten Hilfen. So fordern Republikaner seit langem die Privatisierung des staatlichen Dienstes. Außerdem ist Präsident Trump gegen die in der Coronakrise geforderte Ausweitung der Möglichkeiten zur Briefwahl über US Post, die zu einer deutlich höheren Wahlbeteiligung bei den Wahlen im Herbst führen könnten, was in umkämpften Bundesstaaten entscheidend werden kann. Schließlich will Trump offenbar auch einen Hauptkunden der USPost treffen: Amazon. Eigentümer des Onlinehändlers, der den Dienst mit Mengenrabatt nutzt, ist bekanntlich Jeff Bezos, dem auch die »Washington Post« gehört – einer Zeitung, die Trumps Niederträchtigkeiten mit besonderer Akribie aufdeckt.