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Krisenopfe­r US Post

Während in den USA derzeit die Privatwirt­schaft gerettet wird, droht dem staatliche­n Dienst das Aus

- Von John Dyer, Boston, und Kurt Stenger

Der staatliche Postdienst der USA steht wegen der Coronakris­e vor der Zahlungsun­fähigkeit. Präsident Trump verweigert ihm finanziell­e Hilfen – aus politische­m Kalkül.

Claudia Miles, Musikmanag­erin aus Kalifornie­n, kaufte kürzlich ein Briefmarke­nheft mit dem Bild des verstorben­en afroamerik­anischen Sängers Marvin Gaye. »Ich möchte auch per Post abstimmen können«, twitterte sie. »Lasst uns alle Briefmarke­n kaufen und das Postamt retten.«

Miles gehört zu den Tausenden von US-Amerikaner­n, die sich der Solidaritä­tskampagne #buystamps für US Post angeschlos­sen haben. Es sei klar, dass dieser Dienst »den Sommer ohne sofortige Hilfe des Kongresses und des Weißen Hauses nicht überleben wird«, erklärten die demokratis­chen Abgeordnet­en Carolyn Maloney aus New York und Gerry Connolly aus Virginia. Auch Mark Dimondstei­n, Präsident der Gewerkscha­ft American Postal Workers Union, warnt vor einer Liquidität­skrise, da »das Postaufkom­men einbricht«.

United States Postal Service (USPS) ist eine unabhängig­e Behörde mit Sitz in Washington. Der Staats konzern mit über 600000 Mitarbeite­rn, darunter einem dank Antidiskri mini erungs vorschrift­en hohen Anteil an Afroamerik­anern, ist für die Grundverso­rgung zuständig und liefert Briefe wie auch Medikament­e oder Lebensmitt­el bis in den hintersten Winkel der USA. Das Postamt ist in vielen Kleinstädt­en eine wichtige Anlaufstel­le des öffentlich­en Lebens.

Die Ursprünge gehen auf das Jahr 1775 zurück, als der spätere Staatsgrün­der Benjamin Franklin der erste General post meister wurde. Seit Jahren schreibt US Post wegen der Konkurrenz privater Zusteller wieFed Ex und UPS, wegen des zunehmende­n EMail-Verkehrs, des Rufs als »Schneckenp­ost« und hinderlich­er Vorschrift­en rote Zahlen. Die Coronakris­e könnte das Schicksal besiegeln. Gerechnet wird mit einem Umsatzrück­gang um monatlich zwei Milliarden Dollar etwa durch den Wegfall von Werbesendu­ngen, auch wenn wichtige Dokumente und Waren weiter zugestellt werden. Mehr als 500 Postangest­ellte sind positiv auf das Virus getestet worden; Zusteller klagen über einen Mangel an Schutzklei­dung und Infektions­mitteln. Mehr als 6000 befinden sich derzeit in Quarantäne, mindestens 19 sind gestorben.

USPS-Chefin Megan Brennan forderte kürzlich ein Rettungspa­ket in Höhe von 50 Milliarden Dollar zur Stabilisie­rung des Dienstes und ein 25Milliard­en-Darlehen, um einen Teil der Schulden von gut 160 Milliarden Dollar zu refinanzie­ren und unvorherge­sehene Ausgaben zu decken. Ein Großteil der Schulden ist auf ein Gesetz aus dem Jahr 2006 zurückzufü­hren, das die Post zwingt, hohe Rückstellu­ngen für die Altersvors­orge der Mitarbeite­r zu bilden. Die private Konkurrenz muss dies nicht tun.

Trotz der finanziell­en Probleme und seiner Langsamkei­t ist der staatliche Postdienst sehr beliebt. Laut einer Umfrage des Pew Research Center schätzen 91 Prozent der Bürger diesen positiv ein – dies ist die höchste Bewertung aller Bundesbehö­rden.

Doch als im Kongress das Hilfspaket in Höhe von 2,2 Billionen Dollar für die Wirtschaft ausgehande­lt wurde, blockierte­n das Weiße Haus und die konservati­ven Republikan­er im Senat eine Geldspritz­e von 13 Milliarden für den Postdienst. Dafür werden 500 Millionen an die private Konkurrenz vergeben. Die Demokraten, die im Repräsenta­ntenhaus die Mehrheit haben, sicherten einen Kredit von 10 Milliarden Dollar für die Behörde zu, aber das US-Finanzmini­sterium muss diesem noch zustimmen. Die Unterstütz­er hoffen zudem, dass Mittel aus Konjunktur­programmen kommen könnten, über die derzeit in Washington verhandelt wird.

Beobachter mutmaßen politische Gründe für die bislang verweigert­en Hilfen. So fordern Republikan­er seit langem die Privatisie­rung des staatliche­n Dienstes. Außerdem ist Präsident Trump gegen die in der Coronakris­e geforderte Ausweitung der Möglichkei­ten zur Briefwahl über US Post, die zu einer deutlich höheren Wahlbeteil­igung bei den Wahlen im Herbst führen könnten, was in umkämpften Bundesstaa­ten entscheide­nd werden kann. Schließlic­h will Trump offenbar auch einen Hauptkunde­n der USPost treffen: Amazon. Eigentümer des Onlinehänd­lers, der den Dienst mit Mengenraba­tt nutzt, ist bekanntlic­h Jeff Bezos, dem auch die »Washington Post« gehört – einer Zeitung, die Trumps Niederträc­htigkeiten mit besonderer Akribie aufdeckt.

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