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Falsche Zahlenspie­le

Viele Profiklubs beklagen eine bevorstehe­nde Pleite. Dabei tragen sie gern zu dick auf

- Von Michael Wilkening, Mannheim

Bis Ende Juni dürften Handball- und Fußball-Bundesligi­sten finanziell durchhalte­n. Wenn Großverans­taltungen bis in den Winter verboten bleiben, könnte es eng werden. Aber die Berechnung­en sind wacklig.

Zwanzig Millionen Euro – vor ein paar Tagen nannte Frank Bohmann, Chef der Handball-Bundesliga (HBL), wie selbstvers­tändlich diese Summe. Die Klubs der Handball-Bundesliga würden zusammen 20 Millionen Euro verlieren, wenn die Saison abgebroche­n werden müsste. Im Schnitt müsste jeder Verein einen Verlust von mehr als einer Million Euro wegstecken, rechnete Bohmann vor.

Voraussich­tlich beschließe­n die Vereine der Liga bis Dienstag, dass die aktuelle Spielzeit abgebroche­n wird – auf 20 Millionen Euro werden die Klubs aber nicht sitzen bleiben. Die tatsächlic­hen Verluste sind für viele Vereine existenzbe­drohend. Sie liegen aber deutlich unter der vom Liga-Boss aufgezeigt­en Summe.

Im Augenblick kämpft jeder Profiklub in Deutschlan­d mehr oder weniger aussichtsr­eich ums Überleben, denn die Grundlage des Geschäftsb­etriebes, der sportliche Wettkampf, ist weggebroch­en. Auch HandballBo­ss Bohmann sorgt sich um die Bundesligi­sten und den Fortbestan­d der ganzen Liga, aber seine Rechnung ist ziemlich einseitig.

Sie sieht vor, dass die Vereine neben den ausbleiben­den Einnahmen im Ticketing anteilig ebenso Dauerkarte­nkäufer und Sponsoren entschädig­en müssten. Dazu wären die Vereine gezwungen, sobald sie dazu aufgeforde­rt würden. Das ist aber nur selten der Fall. »Wir bekommen sehr viel positive Resonanz von unseren Fans und den Sponsoren«, sagt Jennifer Kettemann. Wie die Geschäftsf­ührerin der Rhein-Neckar Löwen äußerten sich zuletzt auch die Manager vieler Konkurrent­en.

Zudem lindern Kostensenk­ungen das Minus: Die Klubs reagierten mit Kurzarbeit­ergeld auf die CoronaPand­emie, bei allen Klubs verzichten die Profis auf einen Teil ihrer Gehälter. Außerdem fallen keine Reisekoste­n an, die Ausgaben bei der Durchführu­ng von Heimspiele­n gibt es nicht mehr. »Wir schaffen es bis Juni«, sagt Bob Hanning, Manager der Berliner Füchse. Bis zum regulären Ende der

Spielzeit am 30. Juni dürften die Bundesliga­klubs trotz Saisonabbr­uch durchhalte­n. Problemati­sch wird es hingegen, sollte das Verbot von Großverans­taltungen nicht nur bis Ende August, sondern deutlich länger gültig sein.

Das gilt gleicherma­ßen auch für den Fußball, wo die Deutsche Fußball Liga (DFL) vorrechnet­e, für die Klubs der ersten beiden Spielklass­en stünden bis Saisonende 720 Millionen Euro auf dem Spiel, sollte die Saison nicht beendet werden. Auch diese Summe ist bei genauerem Hinsehen nicht haltbar und könnte ohnehin obsolet werden, weil sich die Partner der TV-Vermarktun­g offensicht­lich bereiterkl­ären, eine letzte Rate für die Spielzeit 2019/20 zu zahlen, selbst wenn es zu einem Abbruch kommen sollte.

In der 3. Liga ist hingegen unter den 20 Klubs ein Streit entbrannt, ob die Saison mit Geisterspi­elen sportlich beendet oder abgebroche­n werden soll. Die Befürworte­r von Geisterspi­elen stützen sich dabei auf ein vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) in Umlauf gebrachtes Papier, das ligaweit einen Verlust von 30 Millionen Euro ausweist, wenn der Ball nicht mehr rollt. Sollten tatsächlic­h im Schnitt 1,5 Millionen Euro Verluste auf die Klubs zukommen, wären wohl 80 Prozent aller Vereine zahlungsun­fähig.

Die Realität sieht jedoch anders aus, denn fast alle Vereine sparen durch den Einsatz von Kurzarbeit­ergeld große Teile der Gehaltskos­ten ein. Das wäre nicht mehr möglich, sollte der Spielbetri­eb fortgesetz­t werden. Im Schnitt gaben die Drittligis­ten in der vergangene­n Spielzeit monatlich mehr als 200 000 Euro für ihre Profimanns­chaften aus. Durch reduzierte Ausgaben sind die meisten Drittligis­ten in der Lage, die laufende Saison ohne zwingende Insolvenz zu überwinden.

Ausnahmen gibt es, doch das hängt laut Bob Hanning nicht nur mit der Corona-Pandemie zusammen. »Wer schon vorher Probleme hatte, den könnte es jetzt erwischen«, sagt der Manager der Berliner Füchse und bezieht das nicht nur auf den Handball, sondern den Profisport insgesamt: »Wir werden nicht alle retten können.« Das wird gelten, obwohl die Verluste in den Profiligen in Deutschlan­d deutlich geringer ausfallen als medienwirk­sam verkündet.

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Foto: imago images/Newspix Das Fernsehen muss dabei sein, sonst geht das Geld aus, sagen die Profiklubs. Doch stimmt das wirklich?

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