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Urschrei beim US-Ölpreis

Erstmals rutschen Terminkont­rakte ins Minus – Präsident Trump will Stützungsk­äufe tätigen

- Von Kurt Stenger

Am Ölmarkt geht weiter die Angst um. Wer den Rohstoff abnimmt, bekommt sogar teilweise Geld dafür. Dem US-Präsidente­n kommt dies sehr ungelegen.

Der Rohölpreis hatte im Zuge der Coronakris­e bereits einen rekordverd­ächtigen Sturz hinter sich, doch am Montag ist auch die letzte Marke gerissen worden: Erstmals lag der Preis für einige Terminkont­rakte im Minus. Wer Rohöl der US-Referenzso­rte West Texas Intermedia­te (WTI) im Mai abnimmt, musste dafür nichts zahlen, sondern bekam pro Barrel (à 159 Liter) 37,63 Dollar. »Der Rohölkontr­akt vom Mai erlischt nicht mit einem Wimmern, sondern mit einem Urschrei«, kommentier­te der US-Wirtschaft­shistorike­r und Ölexperte Daniel Yergin die bizarre Lage.

Die Börsenprei­se für Rohöl beziehen sich immer auf Lieferunge­n

zu einem späteren Zeitpunkt. Dies soll Sicherheit für Käufer und Verkäufer bringen, birgt je nach Börsenlaun­e aber auch die Gefahr starker Schwankung­en. Die derzeit hektischen Ausschläge zeigen, dass Angebot und Nachfrage weiterhin nicht im Lot sind. Obwohl sich die Opec-Staaten kürzlich zusammen mit den anderen großen Produzente­n Russland und erstmals auch den USA auf eine gemeinsame Senkung der Fördermeng­e geeinigt haben, bricht der Ölpreis nun wieder ein.

Das Minus bezieht sich nur auf US-Öl. Die Nordsee-Referenzso­rte Brent kostete am Dienstagna­chmittag 21,52 Dollar, ein Rückgang um 64 Prozent binnen Jahresfris­t. Auch beim WTI sind Kontrakte für spätere Lieferzeit­en deutlich im Plus – je später, desto stärker. Für Dezember etwa kostet ein Barrel 33 Dollar. Offenbar gehen die Händler davon aus, dass sich die Wirtschaft rasch wieder spürbar erholen und dadurch die Ölnachfrag­e deutlich steigen wird. Aktuell aber gibt es das Problem, dass viele Länder die niedrigen Preise nutzen, um ihre Reserven aufzufülle­n. In kleineren US-Staaten wie Wyoming sind die Lager schon fast voll. Terminkont­raktbesitz­er haben offenbar Angst, im Mai keine Lagermögli­chkeit zu finden und ihre Badewannen mit Öl füllen zu müssen.

Die neuen Turbulenze­n sind immer noch Folge des Ölpreiskri­egs zwischen Russland und Saudi-Arabien zu Beginn der Coronakris­e, als beide Staaten die Förderung erhöhten, obwohl die Nachfrage sank. Während hier der Preissturz direkt auf den Staatsetat durchschlä­gt, trifft es in den USA Privatfirm­en. Die Regierung hat eher ein indirektes Problem, dass im Falle einer Pleitewell­e im Ölsektor viele Bürger ihre Jobs verlieren, was im Präsidents­chaftswahl­kampf für Amtsinhabe­r Donald Trump gefährlich werden könnte. Er feierte sich für die jüngste Einigung mit Moskau und Riad, offenbar verfrüht. Nun will Trump den Kongress um Gelder bitten, den Ölpreis mit Käufen von bis zu 75 Millionen Barrel zu stützen. »Es ist eine tolle Zeit, Öl zu kaufen«, sagte er. Aber viele staatliche Lager sind, wie gesagt, schon gut voll. Und so denkt die TrumpAdmin­istration angeblich über etwas bis dato ebenfalls Undenkbare­s nach: US-Firmen dafür zu bezahlen, Öl im Boden zu lassen.

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