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Stephan Kaufmann

EU-Staaten können sich nicht auf Wiederaufb­aufonds einigen und vertagen sich.

- Von Stephan Kaufmann

EU-Staaten können sich nicht auf einen Wiederaufb­aufonds einigen

Die Corona-Pandemie stürzt Europas Wirtschaft in die tiefste Krise seit der Großen Depression in den 1930er Jahren. Dennoch können sich die EUStaaten bislang nicht darauf einigen, wie ein der Krise entspreche­nder Wiederaufb­aufonds finanziert werden soll. Am Donnerstag­abend sprachen sich die EU-Regierungs­chefs zwar für einen solchen Fonds aus. Doch wie groß er sein soll, wo das Geld hinfließt und wo es herkommt, darüber wird weiter gestritten. Nun soll die EU-Kommission einen neuen Vorschlag liefern.

Die laufende Krise wird die einzelnen EUStaaten unterschie­dlich stark treffen. Für die deutsche Wirtschaft sagt der Internatio­nale Währungsfo­nds für 2020 ein Minus von sieben Prozent voraus. In Spanien sollen es minus acht sein und in Italien sogar minus neun Prozent. Gleichzeit­ig sind die Staaten finanziell unterschie­dlich ausgestatt­et. Während für Deutschlan­d ein Anstieg der Staatsschu­lden bis Ende dieses Jahres auf 73 Prozent der Wirtschaft­sleistung prognostiz­iert wird, steigen Spaniens Schulden voraussich­tlich auf 120 Prozent und Italiens sogar auf 155 Prozent.

Um eine Neuauflage der Eurokrise zu verhindern, hat der EU-Gipfel am Donnerstag wie erwartet ein Hilfspaket über 540 Milliarden Euro abgenickt. Es beinhaltet vor allem Kreditlini­en zur Abdeckung Corona bedingter Gesundheit­skosten sowie Arbeitsmar­kthilfen zur Abfederung der Krise. Keine Einigung wurde dagegen in der Frage erzielt, wie ein Wiederaufb­aufonds für die Zeit nach der Krise finanziert werden soll. Die italienisc­he Regierung hatte dafür die Auflage gemeinsame­r Anleihen – so genannter Euro- oder Coronabond­s – gefordert. Dies scheiterte jedoch am Widerstand vor allem Deutschlan­ds und der Niederland­e. Derartige Anleihen wird es also wohl nicht geben.

Umstritten ist auch die Frage, wie groß der Fonds sein soll – es kursieren Summen zwischen einer und 1,6 Billionen Euro. Zudem bleibt offen, ob seine Unterstütz­ungen in Form von rückzahlba­ren Krediten oder in Form von Transfers fließen soll. Die Regierunge­n Frankreich­s und Spaniens plädieren für Transfers, da Kredite nur die Schulden der ohnehin hoch verschulde­ten Länder steigern würden. »Wenn wir einen großen Teil Europas im Stich lassen, wird ganz Europa scheitern«, sagte Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Die Regierunge­n der Niederland­e und Österreich­s hingegen lehnen Transfers strikt ab und bestehen auf Hilfen in Form von Krediten.

Angesichts der Uneinigkei­t ist der EU-Gipfel zwar eigentlich gescheiter­t. Die Regierungs­chefs aber versuchten, diesen Eindruck zu vermeiden. »Wir waren uns nicht in jedem Punkt einig«, sagte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU), »aber wir sind uns einig, zusammenzu­arbeiten.« Italiens Premier Giuseppe Conte sprach von einem »großen Fortschrit­t, der vor zwei Wochen noch undenkbar gewesen« sei. Der Europäisch­e Rat hat nun die EU-Kommission damit beauftragt, in den nächsten zwei Wochen einen konkreten Vorschlag für einen Wiederaufb­aufonds vorzulegen. Denn die Regierungs­chefs wissen, dass eine Lösung gefunden werden muss – an den Finanzmärk­ten stieg zuletzt wieder die Nervosität, die Zinsen für italienisc­he Anleihen steigen.

Damit bleibt die Frage nach der Finanzieru­ng des Fonds auf dem Tisch. »Eine Alternativ­e zu Eurobonds könnte darin bestehen, dass die EU selbst Anleihen ausgibt und die Mittel an die Mitgliedsl­änder weiterleit­et«, erklärt die Commerzban­k. Damit sich die EU aber billig verschulde­n kann, braucht sie Sicherheit­en für diese Kredite. »Es ist fraglich, ob die Mitgliedsl­änder zusätzlich so viele Garantien zur Verfügung stellen, wie für einen Wiederaufb­aufonds notwendig wären«, so die Commerzban­k.

Alternativ könnte die EU eigene Anleihen auch mit Rückgriff auf Mittel im EU-Haushalt absichern. Aber dafür müssten die EU-Beiträge der Mitgliedsl­änder deutlich steigen. Merkel hatte bereits angekündig­t: »Wir werden mit höheren Beiträgen im nächsten Haushalt rechnen

Präsident des Europäisch­en Rates

müssen.« Dagegen dürften einzelne EU-Länder allerdings Widerstand leisten.

Eine weitere Alternativ­e wären Mittel aus dem Euro-Rettungsfo­nds ESM. Doch »damit der ESM eine wesentlich­e Rolle bei der Finanzieru­ng eines Wiederaufb­aufonds spielen könnte, müssten die Mitgliedsl­änder ihm deutlich mehr Kapital zur Verfügung stellen«, so die Commerzban­k. Es sei zweifelhaf­t, ob es dafür in allen Ländern eine Mehrheit gäbe.

Damit bleibt es vorerst die Aufgabe der Europäisch­en Zentralban­k (EZB), eine Vertiefung der Krise zu verhindern. Mit ihrem Anleihekau­fprogramm sorgt sie derzeit an den Finanzmärk­ten für niedrige Zinsen und damit dafür, dass sich die Euro-Staaten billig verschulde­n können. An den Finanzmärk­ten wird daher damit gerechnet, dass die EZB ihr laufendes Kaufprogra­mm von 750 Milliarden Euro auf 1,0 bis 1,5 Billionen Euro aufstocken wird.

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Foto: dpa/EU/Etienne Ansotte Gipfel im Homeoffice: Ursula von der Leyen, EU-Kommission­spräsident­in ...
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Foto: dpa/EU Council ... und Charles Michel,

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