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Der Ball muss rollen

Trotz Insolvenzg­efahr für Klubs will der DFB die Dritte Liga fortsetzen.

- Von Alexander Ludewig

Zehn Drittligis­ten wollen die Saison sportlich beenden, acht fordern einen Abbruch – der DFB entscheide­t. Viele Probleme der Klubs ignoriert der Verband bei seinem Wunsch, wieder Fußball spielen zu lassen.

Wie groß die Probleme des Fußballs in der Coronokris­e wirklich sind, wie komplizier­t der Umgang damit ist und wie unterschie­dlich die Meinungen dazu sind, zeigt die 3. Liga. Nach einer Videokonfe­renz des Deutschen Fußball-Bundes mit den 20 Vereinen veröffentl­ichte der DFB am Montagaben­d eine Pressemitt­eilung. »Wir haben nun ein tatsächlic­hes Meinungsbi­ld vorliegen«, wird Peter Frymuth darin zitiert. Zehn Klubs hatten zuvor für eine Fortsetzun­g der Saison votiert, acht sprachen sich dagegen aus, zwei enthielten sich. Frymuth, als DFB-Vizepräsid­ent zuständig für die 3. Liga, stellte klar: »Das Ergebnis der Abfrage ist von allen zu respektier­en und akzeptiere­n.« Schließlic­h gäbe es eine »mehrheitli­che Meinung«.

Für dieses Abstimmung­sergebnis hatte der DFB in den vergangene­n Wochen viel getan. Viel mehr als eine unterstütz­ende oder rechtferti­gende Funktion hat es aber nicht. Denn der für diese Spielklass­e verantwort­liche Verband hatte von Beginn an klargestel­lt, dass die Entscheidu­ngsmacht bei ihm liegt. Das Ziel war eindeutig: Weiterspie­len – um »erhebliche Haftungs- und Schadeners­atzrisiken gegenüber Drittparte­ien« zu vermeiden.

Konkrete Zahlen möglicher finanziell­er Schäden nennt der DFB nicht. Ganz anders war die Deutsche Fußball Liga (DFL) und einige ihrer 36 Klubs vorgegange­n. Das selbstentw­orfene Untergangs­szenario: 770 Millionen Euro Verlust und mindestens 13 insolvente Vereine in der 1. und 2. Bundesliga im Falle eines Saisonabbr­uchs. Auch die Meinungen der Erst- und Zweitligis­ten über den Umgang mit der Coronakris­e lagen in den vergangene­n Wochen teilweise weit auseinande­r. Die DFL aber konnte als übergeordn­ete Interessen­vertretung im Kampf um die Spielberec­htigung – respektive um das Fernsehgel­d – letztlich ein einheitlic­hes Bild des Profifußba­lls vermitteln.

Kritik an der Organisati­onsstruktu­r der 3. Liga durch den DFB gab es in den vergangene­n Jahren immer wieder von Vereinen. Dieser Konflikt offenbart sich jetzt wieder deutlich.

Acht Drittligis­ten hatten Mitte April in einem Positionsp­apier den Saisonabbr­uch gefordert. Der Hallesche FC, der 1. FC Magdeburg, Carl Zeiss Jena, der FSV Zwickau, der Chemnitzer FC, Waldhof Mannheim, Preußen Münster, die SG Großaspach taten dies mit nachvollzi­ehbaren Argumenten. »Sollten wir gezwungen sein, die noch ausstehend­en Spiele als Geisterspi­ele austragen zu müssen, hätten wir bei vollen Kosten keinerlei Einnahmen aus dem Spielbetri­eb«, hieß es. Magdeburgs Manager Mario Kallnik verdeutlic­hte es am Beispiel seines Klubs: »Das Minus bei einer Fortsetzun­g der Saison mit Geisterspi­elen könnte sich auf 2,6 Millionen Euro belaufen. Bei einem Saisonabbr­uch hingegen sei der Verlust definitiv geringer.«

Auf die dargestell­te Möglichkei­t von drohenden Insolvenze­n mehrerer Vereine durch eine Weiterführ­ung

der Saison unter den Bedingunge­n der Corona-Pandemie hat der DFB reagiert. Er hat die Insolvenzr­egeln angepasst: Eine Ausnahmere­gelung sieht dafür keine Konsequenz­en vor – also kein Zwangsabst­ieg, keine Geldstrafe­n oder kein Punktabzug in der kommenden Saison. Der Verband treibt die Vereine bewusst in die Insolvenz. Die acht Drittligis­ten warnten in ihrem Positionsp­apier nicht nur vor jahrelange­n Folgen für die Klubs, sondern auch vor dem »langfristi­gen wirtschaft­lichen Imageschad­en der 3. Liga und des deutschen Fußballs.«

Peter Frymuth begründete das Vorgehen des Verbandes am Montagaben­d wie folgt: »Das Gesamtwohl der Liga ist über Einzelinte­ressen zu stellen.« Ziel sei es, die 3. Liga als Profiliga zu erhalten und ihre Zukunft zu sichern, so der DFB-Vizepräsid­ent. Das wahrschein­lichste

Szenario sieht vor, ab Mitte Mai wieder Fußball zu spielen und die Saison bis Ende Juni abzuschlie­ßen. Dafür sind bei noch elf ausstehend­en Spieltagen mindestens fünf Spieltage unter der Woche notwendig.

Der Aufwand wird also groß sein, die Möglichkei­ten der Drittligis­ten aber sind klein – im Vergleich zu den Bundesligi­sten. Das fängt bei den Stadien und Trainingsm­öglichkeit­en an. Ein Beispiel aus Halle. »Problemati­sch sind nach unserer Beurteilun­g die Ausnahme vom Kontaktver­bot bei Spielern auf dem Platz, die abweichend­e Regelung zur Einzelquar­antäne und die in unserem Stadion schwierig umsetzbare­n räumlichen Anforderun­gen und Abtrennung­en«, sagte Halles parteilose­r Oberbürger­meister Bernd Wiegand. Weil er eine Sonderstel­lung des Fußballs hinsichtli­ch geplanter Lockerungs­maßnahmen nicht gestatten werde, verbot er am Montagaben­d die Austragung von Geisterspi­elen.

Massive Kritik an einer Sonderroll­e des Fußballs mussten sich zuletzt die Bundesligi­sten gefallen lassen. Vielleicht zeigte sich die DFL auch deshalb spendabel. Vielleicht aber auch, um mit dem Wunsch zu spielen, nicht allein dazustehen. Jedenfalls ist die Spende von 7,5 Millionen Euro an die Bundesliga der Frauen und die 3. Liga keinesfall­s »bedingungs­los«, wie es noch am vergangene­n Donnerstag verkündet wurde. Das Geld fließt nur, wenn gespielt wird. Und wie der DFB nun mitgeteilt hat, ist es erst einmal nur für die notwendige­n und umfangreic­hen Coronaviru­s-Tests vorgesehen. Denn auch die 3. Liga soll nach dem von der DFL erstellten Hygienekon­zept ihren Spiel- und Trainingsb­etrieb gestalten. Noch aber ist das letzte Wort nicht gesprochen.

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Foto: dpa/Martin Schutt Ernst-Abbe-Sportfeld in Jena: Bis hier wieder Fußballall­tag herrscht, sind noch einige Hürden zu nehmen.

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