nd.DerTag

Bittstelle­r auf vier Rädern

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Kurt Stenger über Forderunge­n nach Hilfen für die deutsche Autoindust­rie

Was zeichnet noch mal die deutschen Autobauer aus? Dass sie übermotori­sierte Fahrzeuge herstellen. Auch im Wettrennen um die üppigsten Staatshilf­en lassen ihre Lobbyisten gerade die Motoren besonders laut aufheulen. Mit Erfolg: Seit Tagen wird über eine neue Abwrackprä­mie wie vor zehn Jahren nach der Finanzkris­e diskutiert. Daran zeigt sich, wie eng verbandelt die Politik mit der Autoindust­rie, nicht nur im direkt an VW beteiligte­n Niedersach­sen, ist. Andere Branchen wie Tourismus oder Elektronik­industrie sind härter von der Coronakris­e betroffen, doch Extrahilfe­n soll es für sie nicht geben.

Zu Recht wird in der Debatte kritisiert, dass es schon dreist ist, wenn die Unternehme­n nicht nur stärkere Förderung von Elektroaut­os verlangen, sondern auch Subvention­en für den Verbrenner. Doch man muss ein Auto-Konjunktur­programm grundsätzl­ich infrage stellen. Corona-Hilfen vergibt der Staat ausschließ­lich an Unternehme­n, die erst durch den Lockdown unverschul­det in die Krise geschlitte­rt sind – die Autoindust­rie, die sich dem Klimaschut­z lange verweigert­e, war schon angeschlag­en. Es ist allzu durchsicht­ig, wenn die Branche jetzt nach Staatshilf­en ruft: Sie will die Gunst der Epidemie-Stunde nutzen und sich den laufenden Strukturwa­ndel bezahlen lassen, ohne dass der Staat dabei groß mitreden darf. Man sollte die Autobauer daher als das behandeln, was sie sind: Bittstelle­r auf vier Rädern.

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