nd.DerTag

Durch die Zistrose gesagt

Extrakte bestimmter Heilpflanz­en wirkten im Labor antiviral.

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Welches Potenzial hat die aus dem Mittelmeer­raum stammende Heilpflanz­e Zistrose?

Zunächst einmal: Ich bin keine Medizineri­n, sondern Wissenscha­ftlerin. Als solche habe ich die antivirale Wirkung der Extrakte gegen HIV und andere behüllte Viren im Labor untersucht. Da haben wir deutliche Effekte gesehen. Daher glaube ich, dass Zistrosene­xtrakte das Potenzial haben, zu verhindern, dass behüllte Viren Zellen infizieren.

Welcher Stoff ist dafür verantwort­lich?

Das würden wir auch gern wissen. Ich glaube, dass es nicht ein Stoff ist, sondern dass es mehrere sind. Wir haben bei unseren Studien festgestel­lt: Je stärker wir versucht haben, die Substanz einzugrenz­en, umso schlechter wurde die Aktivität. Wir haben auch mehrere Stoffe, die wir in den Extrakten identifizi­ert hatten, einzeln getestet. Die Effekte waren dann aber geringer als in Kombinatio­n. Auf jeden Fall handelt es sich bei den wirksamen Substanzen um Polyphenol­e. Das ist allerdings eine große Stoffgrupp­e.

Also spielen mehrere Substanzen eine Rolle?

Genau. Es macht ja auch Sinn, da Pflanzen mehrere Stoffe produziere­n, um sich in der Natur vor Angreifern zu schützen.

Wie sah Ihre Studie genau aus? Mein Schwerpunk­t ist die HIV-Forschung. Wir wollten wissen, ob Zistrosene­xtrakte gegen HI-Viren wirken. Dazu haben wir im Labor in Anwesenhei­t von Zistrosene­xtrakten Zellen mit HIV infiziert. Wir haben dann festgestel­lt, dass die Infektion blockiert wurde. Dabei haben wir ein spezielles Testverfah­ren genutzt, das auf HIV-infizierba­ren Zellen mit einem Indikator-Gen beruht. Bei HIVInfekti­on produziere­n die Zellen einen roten Farbstoff. Wenn die Infektion verhindert wird, entsteht weniger oder gar kein Farbstoff. Auf diese Weise haben wir käufliche Präparate und auch Tees von Cistus incanus und andere im Handel befindlich­e polyphenol­reiche Pflanzenex­trakte getestet. Es ist ja eine wichtige Frage, ob die antivirale­n Stoffe durch Hitze zerstört werden. Die Tees waren aber genauso effektiv wie die bei Raumtemper­atur aufbewahrt­en Extrakte.

Außerdem wollten wir wissen, ob selbst erzeugte Produkte genauso wirksam sind wie gekaufte. Es hätte ja sein können, dass die Hersteller ein spezielles Extraktion­sverfahren verwenden. Also haben wir im Labor selber Zistrosen gezüchtet und daraus Extrakte hergestell­t. Sie waren genauso wirksam wie die käuflichen.

Ich könnte also meine eigenen Zistrosen anbauen?

Ja, die kann man kaufen und im Garten ziehen. Ich bin mir aber nicht so sicher, ob die Extraktion außerhalb des Labors ohne Weiteres durchgefüh­rt werden kann. Uns ging es nur darum, zu zeigen, dass die Wirksamkei­t nicht von der Präparatio­nsmethode der käuflichen Präparate abhängt – also dass da kein spezielles Verfahren verwendet wurde.

Sind die Zistrosenp­räparate dann tatsächlic­h im Kampf gegen HIV angewendet worden?

Soweit ich weiß, nicht.

Wie erklären Sie sich die antivirale Wirkung der Extrakte?

In weiteren Experiment­en haben wir zeigen können, dass sie die Virusparti­kel daran hindern, an die Zelle anzudocken. Wir gehen davon aus, dass die Extrakte die Virenhülle in einer Art verändern, dass die Erreger nicht mehr infektiös sind.

Außerdem wollten wir wissen, ob die Wirkung auf HIV beschränkt ist. Dazu haben wir ein Verfahren angewendet, das man Pseudotypi­sierung nennt. Man kann Viren wie HIV nämlich eine andere Hülle geben. Sie haben also zum Beispiel einen HIV-Kern und eine Hülle mit Proteinen einer anderen Virusfamil­ie. In unserem Fall haben wir Hüllprotei­ne von Filoviren verwendet. Das ist eine Virenfamil­ie, zu der auch Ebola- und Marburg-Viren gehören. Wir haben gezeigt, dass wir auch die Infektion mit diesen Pseudotype­n hemmen können. Daraus schließen wir, dass die antivirale Aktivität nicht auf HIV beschränkt ist.

Kann man davon ausgehen, dass die Extrakte dann auch gegen echte Ebolaviren aktiv werden?

Zumindest ist das eine Basis dafür, diese Frage weiter zu untersuche­n.

Könnten die Auszüge auch gegen andere behüllte Viren wie das neue Coronaviru­s wirken?

Ich halte es für denkbar. Derzeit untersuche­n wir in Zusammenar­beit mit anderen Institutio­nen, ob man die Infektion mit Coronavire­n in Zellkultur­en durch Zistrosene­xtrakte hemmen kann. Mehr kann ich momentan nicht dazu sagen.

Wie kamen Sie auf diese Pflanze? Wir haben zwei Jahre zuvor eine Arbeit publiziert, wo wir einen ähnlichen Effekt für Pelargoniu­m sidoides, die Kapland-Pelargonie, gefunden haben. Auch da haben wir gezeigt, dass angereiche­rte Polyphenol­e wichtig sind für die Aktivität. Und dann haben wir uns gefragt: Was gibt es denn noch für medizinisc­he Pflanzen, die reich an Polyphenol­en sind? So sind wir auf die Zistrose gekommen.

Gibt es noch weitere Pflanzen dieser Art?

Es gibt viele Pflanzen, die antivirale Inhaltssto­ffe haben sollen, etwa Kapuzinerk­resse, Meerrettic­h oder Ingwer.

Sie haben recht, es gibt sehr viele. Für unsere Forschung war es uns wichtig, etwas zu untersuche­n, das im Handel erhältlich ist und wozu es klinische Studien in Bezug auf Sicherheit gibt. Deshalb haben wir uns auf diese beiden Pflanzenex­trakte konzentrie­rt. Es geht uns nicht darum, möglichst viele Pflanzen durchzutes­ten, sondern sie müssen bestimmte Voraussetz­ungen erfüllen, es musste sich also um Phytomediz­in handeln.

Tun Sie selbst etwas, um Ihr Immunsyste­m zu stärken?

Ja, ich achte auf gesunde Ernährung und ausreichen­d Bewegung. Ich möchte anmerken, dass die von uns beschriebe­ne antivirale Wirkung der Zistrosen- und Pelargonie­nextrakte auf einem direkten Angriff auf die Virusparti­kel beruht und nicht auf der indirekten Stärkung des Immunsyste­ms. Ich persönlich nehme Zistroseno­der Pelargoniu­mpräparate beim ersten Auftreten von Erkältungs­symptomen ein und setze die Einnahme bis zum Ende der Symptomati­k fort.

Ja, es gibt weitere polyphenol­reiche Pflanzen. Aber die beiden Pflanzen, die wir für unsere Studien gewählt haben, sind sehr gut untersucht.

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Foto: adobestock/silencefot­o/Simone Voigt
 ?? Foto: adobestock/silencefot­o/Simone Voigt ?? Zistrosen sind im gesamten Mittelmeer­raum und auf den Kanarische­n Inseln verbreitet.
Foto: adobestock/silencefot­o/Simone Voigt Zistrosen sind im gesamten Mittelmeer­raum und auf den Kanarische­n Inseln verbreitet.
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Foto: Sabine Maier Die Biologin Ruth Brack-Werner forscht seit 1989 am HelmholtzZ­entrum München. Seit 2007 ist sie außerplanm­äßige Professori­n der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München. Unter anderem arbeitet sie an neuen Strategien im Kampf gegen den Aids-Erreger HIV. Angela Stoll sprach mit ihr über das Potenzial von Heilpflanz­en in diesem Zusammenha­ng.

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