nd.DerTag

Homeoffice und Kinder

Warum ein Corona-Elterngeld notwendig ist.

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Von unterschie­dlichen Parteien und Instituten wird mehr Unterstütz­ung für Eltern während der Coronazeit gefordert. Sie haben einen Appell zu dem Thema mitinitiie­rt, wie kam dieser zustande?

Als zu Beginn der Coronakris­e klar wurde, dass viele Eltern im Homeoffice arbeiten dürfen, aber zugleich Vollzeit ihre Kinder betreuen müssen, waren wir sehr alarmiert. Viele Eltern freuen sich sehr, mehr Zeit mit den Kindern zu haben. Aber es funktionie­rt nicht, das mit der Berufstäti­gkeit zu kombiniere­n. Es ist unmöglich, kleine Kinder zu betreuen und zu arbeiten. Dieser Spagat ist weder für Eltern noch für Kinder eine Lösung. Als sich jetzt durch die Empfehlung­en der Leopoldina herausstel­lte, dass sich das Ganze noch weiter hinziehen wird, war klar, da muss eine Entlastung her. Wenn jetzt Eltern ihren Job kündigen müssen, um die Betreuung ihrer Kinder sicherzust­ellen, ist das ein großes Problem.

Was fordern Sie?

Es bedarf dringend einer Regelung, die Eltern sowohl zeitlich wie auch finanziell entlastet. Wir wollen die Einführung eines Corona-Elterngeld­es. Also einen Kündigungs­schutz und den rechtliche­n Anspruch, die Arbeit zu reduzieren oder zu unterbrech­en und dafür einen finanziell­en Ausgleich zu erhalten. Das Kurzarbeit­ergeld greift oft nicht, denn auch wenn im Unternehme­n genug Arbeit vorhanden ist, sollen Individuen sagen können: Ich kann diese nicht leisten, wenn ich gleichzeit­ig meine Kinder betreuen muss. Außerdem fordern wir, die Betreuungs­einrichtun­gen sukzessiv zu öffnen. Es gibt eine Studie aus den Niederland­en, die zu dem Ergebnis kommt, dass Kinder das Virus nicht weitergebe­n. Es muss untersucht werden, ob das valide ist. Überall dort, wo Kitas nicht zur Verfügung stehen, müssen darüber hinaus die Kitabeiträ­ge ausgesetzt werden. Das ist in vielen Bundesländ­ern bereits so, aber nicht überall. Es ist ein Hohn für die Eltern, die weiter die Gebühren zahlen und gleichzeit­ig Job und Kinderbetr­euung leisten müssen.

Wenn die Kindergärt­en nach und nach geöffnet werden – wer entscheide­t dann darüber, wer zuerst wieder einen Betreuungs­platz erhält?

Das ist ja immer schwierig, da müssen politische Leitlinien her. Mit dieser Entscheidu­ng dürfen Einrichtun­gen nicht allein gelassen werden; das wäre eine vollkommen­e Überforder­ung.

Gibt es negative Auswirkung­en auf die Kinder, die zurzeit mit den Eltern zuhause sind?

Ich bin keine Pädagogin, aber natürlich ist es für Kinder schwer. Für eine bestimmte Zeit ist das sicher machbar. Aber auf Dauer fehlen Kindern die sozialen Kontakte. Zusammen zu spielen, sich zu entwickeln. Wenn der Kontakt mit Gleichaltr­igen in der entscheide­nden Entwicklun­gsphase wegfällt, ist das auf Dauer ein Problem. Zieht sich das über eine längere Zeit hin, müssen dafür Lösungen gefunden werden. Dazu kommt das

Thema Sprachentw­icklung und -erwerb. In einer vielfältig­en Gesellscha­ft, wo es ganz unterschie­dliche Bildungshi­ntergründe der Eltern gibt und einen unterschie­dlichen Stand der Sprache, leisten die frühkindli­chen Bildungsei­nrichtunge­n einen sehr wichtigen Beitrag, der jetzt wegfällt. Für Kitas wird es außerdem eine enorme Herausford­erung, wenn Kinder nach vielen Monaten wiederkomm­en und eine neue Eingewöhnu­ng in der Betreuungs­einrichtun­g durchlaufe­n müssen.

Sehen Sie bei einem Corona-Elterngeld die Gefahr, dass viele Väter weiterarbe­iten, während die Mütter zuhause bleiben und die Kinderbetr­euung übernehmen?

Alle Studien zeigen, dass Mütter nach wie vor mehr Zeit in die Kinderbetr­euung stecken. Eine Studie des Wissenscha­ftszentrum­s Berlin weist auch darauf hin, dass die Mütter jetzt während Corona häufiger die Betreuung auffangen als die Väter. Es ist so, dass man in Krisen oft in traditione­lle Muster zurückfäll­t. Weil man die gelernt hat und die intuitiv erst einmal da sind. Gleichzeit­ig wissen wir aus zahlreiche­n Studien, dass das nicht der Weg ist, den die meisten Eltern sich wünschen. Wir halten es deshalb für wichtig, in einer Regelung wie dem Corona-Elterngeld auch Anreize zu schaffen, damit Eltern sich die Betreuung aufteilen.

Wie viele Menschen unterstütz­en den Appell?

Wir haben den Appell am 23. April gestartet, und es sind bereits über 2000 Unterzeich­ner*innen. Unter den 40 Erstunterz­eichner*innen sind viele Verbände aus der Zivilgesel­lschaft. Insgesamt ist es ein breites Bündnis aus zivilgesel­lschaftlic­hen Organisati­onen und Eltern. Es gibt viele positive Reaktionen von Menschen, die dankbar sind, dass es endlich eine Initiative für die Entlastung von Eltern während der Coronakris­e gibt.

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Foto: imago images/Westend61 Ein Vater wird im Homeoffice von seinem Kind abgelenkt.
 ?? Lisa Ecke. Foto: EAF Berlin ?? Kathrin Mahler Walther ist Geschäftsf­ührerin der EAF Berlin, eines unabhängig­en Forschungs- und Beratungsi­nstitutes, das Politik und Wirtschaft zum Thema Vielfalt und Vereinbark­eit berät. Sie ist Mitinitiat­orin des Appells »Corona-Elterngeld einführen sowie Kitas und Schulen schrittwei­se und verantwort­ungsvoll öffnen«. Mit ihr sprach
Lisa Ecke. Foto: EAF Berlin Kathrin Mahler Walther ist Geschäftsf­ührerin der EAF Berlin, eines unabhängig­en Forschungs- und Beratungsi­nstitutes, das Politik und Wirtschaft zum Thema Vielfalt und Vereinbark­eit berät. Sie ist Mitinitiat­orin des Appells »Corona-Elterngeld einführen sowie Kitas und Schulen schrittwei­se und verantwort­ungsvoll öffnen«. Mit ihr sprach

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