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Ärger mit dem Personal

Überrasche­nd trat Schleswig-Holsteins Innenminis­ter zurück. Ersatz ist bereits gefunden

- Von Dieter Hanisch, Kiel

Nach der am Dienstag plötzlich verkündete­n Kabinettsu­mbildung muss sich Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Daniel Günther nun nicht nur als Corona-Krisenmana­ger beweisen.

Mitten hinein in die Coronakris­e platzte in Schleswig-Holstein am Dienstag der Rücktritt des bisherigen Innenminis­ters Hans-Joachim Grote (CDU) – nach einem von Ministerpr­äsident Daniel Günther (CDU) so titulierte­n Vertrauens­bruch. Was genau sich dahinter verbirgt, war am Mittwoch auch Inhalt einer Sitzung des Innen- und Rechtsauss­chusses im Kieler Landtag, bei der sich der Regierungs­chef einem Kreuzverhö­r stellte.

Günther betonte dabei, dass der Minister in Ungnade gefallen sei, weil er ihm gegenüber die Unwahrheit geäußert habe, und verwies auf vorliegend­e Screenshot­s aus Ermittlung­sakten der Staatsanwa­ltschaft. Diese führt seit vergangene­m Jahr ein Ermittlung­sverfahren gegen Thomas Nommensen, den ehemaligen Landesvize der Deutschen Polizeigew­erkschaft. Dem inzwischen vom Dienst suspendier­ten Polizisten wird vorgeworfe­n, in mehreren Fällen vertraulic­he Polizeiint­erna und Dienstgehe­imnisse an einen Redakteur der »Kieler Nachrichte­n« weitergele­itet zu haben.

Aus bei Nommensen beschlagna­hmten Daten ging offenbar hervor, dass auch Minister Grote einen vertraulic­hen Schriftver­kehr per WhatsApp mit dem Journalist­en geführt hatte, obwohl er dies – von Günther zur Rede gestellt – abgestritt­en hatte. Aus den Aussagen in der Innenaussc­husssitzun­g erschließt sich, dass der Journalist wohl den Schriftver­kehr mit Grote an Nommensen weitergele­itet hat. Weitere Details wurden im Verlauf der Ausschusss­itzung unter Ausschluss der Öffentlich­keit behandelt.

Grote wird somit im weitesten Sinne Opfer der seit Jahren schwelende­n Landespoli­zeiaffäre, zu der sich aktuell ein Parlamenta­rischer Untersuchu­ngsausschu­ss (PUA) um Aufklärung bemüht, sich unter anderem aber wegen vieler Erinnerung­slücken bei geladenen Zeugen die Zähne ausbeißt. Seit Monaten tritt das Gremium ohne großartige­n Erkenntnis­gewinn auf der Stelle. Der PUA soll ergründen, in welcher Form es im Polizeiapp­arat zu Mobbing, womöglich zu behinderte­n Ermittlung­en gegen Rocker-Kriminalit­ät und zu Verfehlung­en in der Landespoli­zeischule gekommen war.

Grote tauschte 2017 wenige Monate nach seiner Amtsüberna­hme die Führungssp­itze der Landespoli­zei aus, betonte seinerzeit aber, es gebe keinerlei Zusammenha­ng mit den aufgekomme­nen Ungereimth­eiten in der Polizeiaff­äre, sondern gehe um unterschie­dliche Auffassung­en über eine zukünftige Ausrichtun­g der Polizeiarb­eit.

Die Nachfolge des Ministers tritt nun die bisherige Justizmini­sterin Sabine Sütterlin-Waack (CDU) an. Sie war zuletzt zumindest über die Ermittlung­en gegen Nommensen informell im Bilde und hat sich mit Daniel Günther über den Datenbeifa­ng auf dem Rechner des ehemaligen Gewerkscha­ftsfunktio­närs ausgetausc­ht. Ihren Posten wird Claus Christian Claussen (CDU) übernehmen. Er war in der CDU-Landtagsfr­aktion der Rechtsexpe­rte und leitete bisher auch den PUA. Wer dort künftig seine Rolle einnimmt, ist noch nicht geklärt. Sütterlin-Waack sprengt übrigens bundesweit eine Männerbast­ion: Sie ist die erste weibliche Person auf dem Chefsessel eines Innenresso­rts.

Der Kieler Europapoli­tiker der Piratenpar­tei, Patrick Breyer, der die teils undurchsic­htigen Vorkommnis­se in der Landespoli­zei publik gemacht hatte, wiederholt­e unterdesse­n seine Forderung nach der Schaffung einer unabhängig­en Stelle im Justizmini­sterium für künftige Ermittlung­en innerhalb der Polizei.

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