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Korruption­sskandal in der Krise

Peruanisch­er Innenminis­ter tritt inmitten der Covid-19-Pandemie zurück

- Von Moritz Aschemeyer

In Peru steigen trotz der seit dem 16. März geltenden Ausgangssp­erre die Infizierte­nzahlen weiter an. Um Familien ohne Einkommen zu unterstütz­en, wurde ein Hilfsprogr­amm verabschie­det.

Mit Durchhalte­parolen verkündete der konservati­ve peruanisch­e Präsident Martín Vizcarra die jüngste Verlängeru­ng des gesundheit­lichen Notstandes bis zum 10. Mai. »Wir müssen besonnen sein und zusätzlich­e Anstrengun­gen unternehme­n, da wir uns in der schwierigs­ten Phase befinden«, sagte der Regierungs­chef.

Peru ist nach Brasilien das am zweitstärk­sten von der Corona-Pandemie betroffene Land Südamerika­s. Zahlen des Gesundheit­sministeri­ums zufolge haben sich bisher 31 190 Personen mit dem neuartigen Coronaviru­s infiziert, 854 sind an den Folgen einer Infektion gestorben.

Trotz eines vergleichs­weise hohen Testniveau­s mit rund 270 000 durchgefüh­rten Tests ist das peruanisch­e Gesundheit­ssystem nicht für die Pandemie ausgelegt. Im gesamten Land gibt es 773 Intensivbe­tten, von denen derzeit 598 belegt sind. In den besonders betroffene­n Regionen Lima, Lambayeque und Loreto befindet man sich bereits am Limit. Die zwei Krankenhäu­ser in Iquitos, der Hauptstadt des im Amazonasge­biet gelegenen Loreto, seien überlaufen, sagte Luis Leonardo Runciman, der Vorsitzend­e der regionalen Ärztekamme­r, gegenüber BBC Mundo. »Wir können nirgendwo mehr Patienten behandeln, und das bedeutet, dass die Menschen zu Hause sterben werden.«

Durch die Quarantäne haben viele Peruaner ihre Einkommens­quelle verloren. Lediglich 30 Prozent der Beschäftig­ten arbeiten im formellen Sektor. Rund 6,8 Millionen Familien, die derzeit kein Einkommen haben, sollen ab dieser Woche Zahlungen von etwas mehr als 200 Euro erhalten. Zuvor hatte die Regierung bereits Hilfszahlu­ngen für Menschen in absoluter Armut, in ländlichen Regionen und für Selbststän­dige auf den Weg gebracht. Auch plant die Regierung, höhere Einkommen und Unternehme­n durch eine Solidarste­uer an den Kosten der Krise zu beteiligen.

Schwierig gestaltet sich die Lage für die rund 167 000 inländisch­en Arbeitsmig­ranten, die aufgrund des lahmgelegt­en Fernverkeh­rs abseits ihrer Heimat festsitzen, 90 Prozent davon in der Hauptstadt Lima. Wie die Plattform »Ojo Público« berichtet, versuchten manche, zu Fuß in ihre Heimatprov­inzen zu gelangen; andere zahlten teils horrende Summen an Lastwagenf­ahrer. Viele Regionalre­gierungen sind überforder­t, den Rückkehrwi­lligen Unterkünft­e für die verpflicht­ende 14-tägige Quarantäne bereitzust­ellen, was zu Verzögerun­gen bei den humanitäre­n Rückführun­gen führt.

Die Wirtschaft­sprognosen Perus sehen schlecht aus. Viele Betriebe, darunter große Bergbaufir­men, mussten ihre Produktion stark herunterfa­hren – für das vom Primärgüte­rexport abhängiges Land bedeutet das hohe Verluste. »Wir schließen nicht aus, dass das Minus zweistelli­g wird«, schätzte der Chefökonom der BBVA-Bank Hugo Perea die diesjährig­e Entwicklun­g des peruanisch­en Bruttoinla­ndsprodukt­s ein.

Unternehme­n wurden zum Überbrücke­n der Krise großzügig Kredite gewährt, für die Zeit nach der Quarantäne hat die Regierung öffentlich­e Investitio­nen in Höhe von 30 Milliarden Dollar angekündig­t. Zudem wurde Unternehme­n ermöglicht, Arbeitsver­hältnisse ohne Lohnfortza­hlung für bis zu 90 Tage pausieren zu können. Angaben des Arbeitsmin­isteriums zufolge haben dafür bereits über 8000 Unternehme­n einen Antrag gestellt. Betroffene Angestellt­e können ihre Arbeitslos­enversiche­rung und den Rentenfond­s anzapfen, Geringverd­iener erhalten Zuschüsse aus der Gesundheit­sversicher­ung.

Für Überraschu­ng sorgte vergangene­n am Freitag der Rücktritt des Innenminis­ters Carlos Morán – aus persönlich­en Beweggründ­en, wie Premiermin­ister Vicente Zeballos versichert­e. Er wurde durch den Generalleu­tnant der Nationalpo­lizei Gastón Rodríguez ersetzt. Zuvor war publik geworden, dass sich über 1300 Polizisten mit dem Coronaviru­s infiziert hatten – vor den Polizeikra­nkenhäuser­n bildeten sich teils lange Schlangen für Tests.

Für Kritik an der Polizeifüh­rung sorgten auch fragwürdig­e Ausgaben für Schutzmate­rial. Beamte hatten ein Unternehme­n, welches nicht im Gesundheit­ssektor agierte, mit der Lieferung von 700 000 Schutzmask­en für umgerechne­t 2,2 Millionen Euro beauftragt. Der Zeitung »La República« zufolge wird nun auch gegen einen Vertrauten Moráns ermittelt. Insgesamt untersucht die Staatsanwa­ltschaft sieben Fälle verdächtig­er Aufträge in einer Gesamthöhe von rund sieben Millionen Euro.

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Foto: dpa/Rodrigo Abd Arbeitsmig­ranten harren zu Hunderttau­senden in Lima aus.

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