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Spielcasin­o Krankenhau­s-Markt

Mitten in der Coronakris­e geht der Streit um die Übernahme des Privatklin­ikkonzerns Rhön AG in die entscheide­nde Phase

- Von Hermannus Pfeiffer

Das Klinikum Frankfurt (Oder) steht ebenso auf der Einkaufsli­ste wie die Universitä­tsklinik Gießen. Kritiker fordern die Politik auf, aus Fehlern der Vergangenh­eit zu lernen.

Krankheit ist ein gutes Geschäft. Und eines mit Zukunft: 2030 werden die Industries­taaten voraussich­tlich bis zu einem Zehntel des Bruttoinla­ndsprodukt­es (BIP) für Gesundheit­skosten aufwenden. Nach Berechnung­en der OECD ein Zuwachs von rund 15 Prozent. Damit würden die Gesundheit­sausgaben in den Industries­taaten schneller wachsen als deren Wirtschaft insgesamt. In der Bundesrepu­blik betrug der Anteil am BIP bereits über elf Prozent – vor Corona.

Vor diesem Hintergrun­d versuchen die größten privaten Krankenhau­sbetreiber, Asklepios und Fresenius, seit längerem, ihre Marktantei­le weiter zu erhöhen. Nun ist ein offener Streit um die Rhön-Klinikum AG ausgebroch­en. Das Unternehme­n aus dem fränkische­n Bad Neustadt zählt ebenfalls zu den großen Gesundheit­sdienstlei­stern, mit besten Verbindung­en zu Forschungs­einrichtun­gen. An fünf Standorten wie Bad Berka in Thüringen, Frankfurt (Oder) und an der einzigen privatisie­rten Uniklinik in Deutschlan­d, in Gießen, werden pro Jahr über 800 000 Patienten behandelt.

Das Tauziehen um das Unternehme­n zieht sich bereits seit Jahren hin.

Da ist Rhön-Firmengrün­der Eugen Münch, der offenbar nicht das Kapital besitzt, um Rhön ganz nach oben zu puschen und nun Kasse machen will. Der Medizintec­hnik-Hersteller B. Braun Melsungen, Großaktion­är bei Rhön, will den Verkauf an Asklepios aber verhindern. Mit Spannung wird erwartet, ob Asklepios bei der Jahrespres­sekonferen­z am Donnerstag neben den aktuellen Geschäftsz­ahlen

auch ein neues Übernahmea­ngebot vorlegt.

B. Braun Melsungen hat derweil einen Teilerfolg erzielt: Am Mittwochab­end lenkte der Rhön-Vorstand ein und berief eine außerorden­tliche Hauptversa­mmlung für Anfang Juni ein. Braun will dort sechs Aufsichtsr­äte, darunter Firmengrün­der und Aufsichtsr­atschef Münch abberufen lassen. Zudem fordert der Großaktion­är eine Sonderdivi­dende von zwei Euro je Aktie, insgesamt rund 130 Millionen Euro. Ferner will sich das mit gut 25 Prozent an RhönKlinik­um beteiligte hessische Familienun­ternehmen eine Sperrminor­ität verschaffe­n, indem alle Beschlüsse nur noch mit einer Mehrheit von 75 Prozent gefällt werden dürfen.

Das kann dem Asklepios-Konzern, der seit kurzem eine knappe Mehrheit am börsennoti­erten Rhön-Klinikum hält, nicht gefallen, da er seine Machtstell­ung einzubüßen droht. Anfang April hatte Asklepios seine Pläne konkretisi­ert: Angestrebt wird ein Gemeinscha­ftsunterne­hmen Asklepios/Münch. Damit könnten die beiden Großaktion­äre das lange Tauziehen beenden, wobei Asklepios letztlich siegen wird.

Aus Verbrauche­rsicht drohen im Falle einer Übernahme zumindest regionale Oligopole. Der Trend zu immer größeren, spezialisi­erten Krankenhäu­sern mag medizinisc­h sinnvoll sein, lässt aber Patienten kaum noch eine Wahl zwischen den Tempeln der Götter in Weiß. So ist etwa in Hamburg die erst 2004 aus einer Privatisie­rung der öffentlich­en Krankenhäu­ser hervorgega­ngene Asklepios heute der Platzhirsc­h. Weit mehr als die Hälfte aller Rettungsei­nsätze enden nach Firmenanga­ben in deren Notaufnahm­en. Mit mehr als 14 000 Beschäftig­ten ist die Krankenhau­skette zudem der größte Arbeitgebe­r in der Stadt. Und bundesweit ist Asklepios mit rund 160 Gesundheit­seinrichtu­ngen nach der Fresenius-Tochter Helios bisher die Nummer zwei unter den Klinikbetr­eibern. Rhön-Klinikum liegt hinter den Sana-Kliniken auf Platz vier.

»Auf dem Krankenhau­smarkt geht es mittlerwei­le zu wie im Spielcasin­o«, schimpft Verdi-Bundesvors­tandsmitgl­ied Sylvia Bühler über die neuesten Volten im Übernahmep­oker. »Da versuchen ein paar schwerreic­he Männer seit Jahren, sich gegenseiti­g auszutrick­sen und die Hoheit über Krankenhäu­ser zu sichern.« Rhön-Gründer Münch ist 75 Jahre alt, sein Partner Bernhard große Broermann (Asklepios) wie auch Kontrahent Ludwig Braun 76 Jahre.

Begonnen hatte die Auseinande­rsetzung 2012. Münch wollte damals sein Rhön-Klinikum an Fresenius verscherbe­ln. Broermann und Braun verbündete­n sich und stiegen bei Rhön ein, um den Aufstieg von Fresenius zu stoppen. Fresenius gelang es trickreich und hart am Rande des Aktienrech­ts dennoch, die meisten Krankenhäu­ser von Rhön zu kaufen.

Die Vorgänge zeigen, so Verdi, wie sehr das Gesundheit­swesen von der Politik für Profitstre­ben und Spekulatio­nen geöffnet wurde. Damit müsse Schluss sein, verlangt auch die Arbeitsgru­ppe Alternativ­e Wirtschaft­spolitik. Die linken Ökonomen fordern im Zuge der Coronakris­e »ein Abrücken von der Marktorien­tierung und der Wettbewerb­slogik« im Gesundheit­ssystem.

Unterm Strich steckt viel Geld hier drin. Doch trotz des recht guten Versorgung­sangebotes

liegt Deutschlan­d bei wichtigen Gesundheit­sindikator­en wie vermeidbar­er Sterblichk­eit weit hinter der globalen Spitze zurück.

Der Trend zu immer größeren, spezialisi­erten Kliniken mag medizinisc­h sinnvoll sein, lässt aber Patienten kaum noch eine Wahl zwischen den Tempeln der Götter in Weiß.

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