Vom Tellerwäscher zum Bittsteller
Insolvente Restaurantkette Vapiano hält ihre ehemaligen Mitarbeiter hin – nicht zuletzt die Geflüchteten unter ihnen stellt das vor Probleme
Die pleite gegangene Restaurantkette Vapiano lässt ihre Berliner Mitarbeiter im Regen stehen. Den Küchenhilfen, die häufig geflüchtete Menschen sind, wird nicht einmal der letzte Lohn ausgezahlt.
Yusuf Ali und Rezene Mira haben Gemüse und Fleisch geschnippelt, Kaffee gekocht und das schmutzige Geschirr aus dem Restaurant geräumt – bis der Berliner Senat Mitte März die Schließung aller Restaurants verfügte. Seither stehen die beiden Mitarbeiter der international agierenden Restaurantkette Vapiano – wie viele ihrer Kolleg*innen – nahezu mittelos da. Denn ihr ehemaliger Arbeitgeber verweigert ihnen nicht nur ausstehende Löhne, sondern auch dringend benötigte Nachweise, um staatliche Hilfen zu beantragen.
Das Unternehmen, das allein in der Hauptstadt neun Filialen unterhält, hatte schon vor der Coronakrise wirtschaftliche Schwierigkeiten. Nachdem nun die Schließung von Gastronomiebetrieben für den Vor-Ort-Verzehr angeordnet wurde, erklärte Vapiano am 20. März die Zahlungsunfähigkeit, es folgte der Insolvenzantrag. Nicht zuletzt die Geflüchteten unter den Mitarbeiter*innen stehen jetzt vor existenziellen Problemen.
Yusuf Ali und Rezene Mira, die aus Angst vor Problemen mit ihrem ehemaligen Arbeitgeber ihren richtigen
Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, berichten »nd«, dass sie für die zwei Wochen, die sie im März noch gearbeitet haben, bis heute keinen Cent gesehen haben. Das belegen ihre Kontoauszüge, die »nd« vorliegen.
Zu den wenigen Dingen, die Yusuf Ali mittlerweile noch besitzt, gehört eine Monatskarte für Berlin. Damit fährt er jeden Abend zu einem anderen Freund und lädt sich dort zum Essen ein. Wenn er Glück hat, kann er dort auch übernachten und bekommt am nächsten Morgen ein Frühstück. Die Aprilmiete hat Ali, der seit 2015 in Deutschland lebt und hier Asyl bekommen hat, ebenso wenig zahlen können wie die Energierechnung. Auf Ersparnisse kann er nicht zurückgreifen. Wie auch? Ali bekam nur Mindestlohn und hatte keine volle Stelle.
»Ich bin mit meinen Kollegen und Chefs in Whatsapp-Gruppen verbunden«, erzählt Ali. »Im März hieß es immer, wir bekommen morgen Insolvenzgeld. Und am nächsten Tag war wieder von morgen die Rede.« Da er den Versprechungen glaubte, beantragte er zunächst auch keine Sozialleistungen. »Anfang April hieß es plötzlich, wir würden mit der Post vom Insolvenzverwalter ein Formular bekommen, das wir ausfüllen und ihm zurücksenden sollen.« Der Insolvenzverwalter werde dann bei der Bundesagentur für Arbeit für die Mitarbeiter*innen Insolvenzgeld beantragen, wurde ihm gesagt. »Es hieß fast jeden Tag, die Formulare seien schon raus und müssten am nächsten Tag eintreffen.« Ali bekam sie diesen Montag. Andere Kolleg*innen warten noch immer darauf. Ohne Angaben vom Arbeitgeber kann kein Insolvenzgeld beantragt werden.
Auch die Beantragung von Hartz IV gestaltet sich ohne Kooperation des Arbeitgebers schwierig. Eigentlich steht das den Vapianisti zu. Doch weil sie außer den Whatsapp-Nachrichten keinerlei schriftliche Dokumente über den Grund der ausbleibenden Zahlungen vom Arbeitgeber bekamen, hatte das Jobcenter immer weitere Fragen, die Beantragung zieht sich nach wie vor in die Länge.
Drastische Folgen hätte all das beinahe für Rezene Mira haben können. Mira, auch er ein anerkannter Asylberechtigter, wurde am Dienstag wegen fehlender Mietzahlungen aus seinem Wohnheim in Treptow geworfen. Erst ein Anruf des »nd« bei dem
Betreiber, der Salany Beherbergungsbetrieb GmbH, bewirkte, dass er noch am gleichen Tag wieder einziehen durfte. Geschäftsführer Qais Hourani entschuldigt den Rauswurf mit einem Fehler des Heimleiters. »Die Bundesregierung hat ja verfügt, dass Mietschulden kein Kündigungsgrund sind«, so Hourani zu »nd«.