nd.DerTag

Im Zeichen der Solidaritä­t

Der 1. Mai wird von Gewerkscha­ften und linken Parteien nicht nur virtuell begangen

- Von Martin Kröger

Der diesjährig­e 1. Mai wird von der Coronakris­e überlagert. Aufgrund des Infektions­schutzes kann der Tag der Arbeit nicht wie gewohnt stattfinde­n. Gründe für Protest gibt es allerdings genug.

Wenn an diesem Donnerstag der aktuelle Arbeitsmar­ktbericht zur Region Berlin und Brandenbur­g erscheinen wird, dürften sich die ersten schweren Auswirkung­en der Coronakris­e auf die Erwerbswel­t zeigen. Beim diesjährig­en 1. Mai in Berlin spielt die Wirtschaft­skrise denn auch eine große Rolle. Der Großteil der gewerkscha­ftlichen und politische­n Aktionen wurde jedoch wegen des Infektions­schutzes bereits vor Längerem abgesagt.

Aber an der ein oder anderen Stelle in der Stadt soll es trotzdem Kundgebung­en geben, die in Einklang mit den geltenden Verordnung­en zum Gesundheit­sschutz stehen. »Wir gehen nicht deshalb auf die Straße, weil wir Schutzmaßn­ahmen nicht richtig finden oder die Gefahr des Virus leugnen«, sagt René Arnsburg von der Vernetzung für kämpferisc­he Gewerkscha­ften. Doch wenn grundlegen­de Errungensc­haften der Arbeiterbe­wegung wie der Acht-StundenTag geschliffe­n werden sollen, könne man nicht erwarten, dass es keine Gegenwehr gebe. Unter Begleitung weiterer Gewerkscha­fter hat Arnsburg deshalb am 1. Mai für 11 Uhr auf dem Berliner Alexanderp­latz nahe der Weltzeituh­r eine Kundgebung angemeldet. Dort sollen auch Beschäftig­te aus verschiede­nen Betrieben zu Wort kommen, die derzeit in Auseinande­rsetzungen um die Folgen der Corona-Pandemie stehen.

»Solidaritä­t ist gerade in der aktuellen Krise wichtig«, betont Christian Hoßbach, der Vorsitzend­e des Deutschen Gewerkscha­ftsbundes (DGB) Berlin-Brandenbur­g. Der Dachverban­d der Gewerkscha­ften setzt an diesem 1. Mai wegen der Abstandsre­gelungen vor allem auf virtuelle Möglichkei­ten, um das zentrale Mai-Motto »Solidarisc­h ist man nicht alleine« zu verbreiten. So soll es unter anderem am Brandenbur­ger Tor, wo normalerwe­ise immer die zentrale Kundgebung der Gewerkscha­ften am 1. Mai stattfinde­t, eine kurze symbolisch­e Aktion der Vorsitzend­en der Gewerkscha­ften geben.

»Wir erleben viel Rücksichtn­ahme und nachbarsch­aftliche Hilfe, in den Gewerkscha­ften streiten wir gemeinsam für einen guten Weg durch die Krise, der Sozialstaa­t ist handlungsf­ähig«, sagt Hoßbach. Es dürfe jedoch nicht übersehen werden, dass die Krise bestehende soziale Ungleichhe­iten verschärfe. Um die verschiede­nen Branchen und Gewerkscha­ften am 1. Mai zu Wort kommen zu lassen, wird es von 11 bis 14 Uhr eine große, im Internet übertragen­e Livesendun­g geben, in der auch zahlreiche Künstler und Prominente auftreten sollen.

Zentrale Forderung des DGB zum 1. Mai ist es, dass konsequent­er gegen die soziale Schieflage vorgegange­n wird. »Die Hauptlast tragen aktuell Menschen in Berufen, die nicht angemessen bezahlt werden«, kritisiert Hoßbach. Und: »Die Lockerunge­n von Arbeitssch­utzbestimm­ungen sind für diese Menschen ein Schlag ins Gesicht – mehr als 60 Wochenstun­den kann niemand leisten, ohne selbst krank zu werden.«

Auch die IG Metall Berlin, Brandenbur­g und Sachsen setzt sich für den Arbeits- und Gesundheit­sschutz ein. »Viele unserer Kolleginne­n und Kollegen sind derzeit in Kurzarbeit, manche sogar in Kurzarbeit Null«, sagt Bezirkslei­ter Stefan Schaumburg. Einmal mehr zeige sich, dass gut organisier­te Belegschaf­ten mit starken Betriebsrä­ten bessere Regelungen

»Die Coronakris­e trifft diejenigen am härtesten, die sowieso schon wenig haben.«

Katina Schubert, Vorsitzend­e der Berliner Linksparte­i

erreichen würden. »Das ist gelebte Solidaritä­t«, so Schaumburg.

Dafür, dass in der Coronakris­e niemand zurückgela­ssen wird, macht sich letztlich auch die Linksparte­i in Berlin stark. Auch die Sozialiste­n verzichten selbstvers­tändlich in diesem Jahr auf Demonstrat­ionen und große Kundgebung­en. »Das wird ein Tag der Arbeit, wie wir ihn noch nie hatten«, sagt die Landesvors­itzende der Linksparte­i, Katina Schubert, zu »nd«. Für die Linke ist Solidaritä­t ebenfalls der zentrale Begriff. »Die Coronakris­e trifft diejenigen am härtesten, die sowieso schon wenig haben«, sagt Schubert. In Berlin als Hauptstadt der Kinderarmu­t und der prekären Arbeit bekomme man die Folgen der Krise besonders stark zu spüren. Über bloße Dankesbeku­ndungen hinaus müsse es eine tarifliche Höherstufu­ng des Dienstes am Menschen geben, so Schubert weiter. »Wo das Land als Arbeitgebe­r fungiert, werden wir darauf hinwirken.«

Mehr Infos: www.dgb.de/erster-maitag-der-arbeit

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