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Schwitzen mit Abstand

Sportverei­ne in Deutschlan­d könnten bald wieder ihre Türen öffnen, allerdings nur unter besonderen Bedingunge­n

- Von Oliver Kern

Der Breitenspo­rt auf Vereinsbas­is dürfte bald wieder anlaufen. Bund und Länder könnten schon am Donnerstag eine schrittwei­se Öffnung beschließe­n. Dabei wird an ihrer Sinnhaftig­keit noch gezweifelt.

Es geht nicht nur um Fußball. Oder um die Bundesliga. Wenn Bundeskanz­lerin Angela Merkel und die Regierende­n der Bundesländ­er an diesem Donnerstag über Lockerunge­n in der Coronakris­e verhandeln, werden auch viele Breitenspo­rtler gespannt auf die Ergebnisse warten. Dabei dürfte die Mehrzahl nicht interessie­ren, wann es die ersten Geisterspi­ele der Profis gibt, sondern eher, wann sie selbst wieder mit Freunden aus dem Verein trainieren dürfen. Auch das wird eventuell bereits an diesem Donnerstag beschlosse­n.

Der Deutsche Olympische Sportbund hatte schon vor Wochen zehn sogenannte Leitplanke­n erarbeitet, mit denen laut DOSB ein schrittwei­ser Wiedereins­tieg ins Vereinsleb­en möglich sei. Anfang dieser Woche tauschten sich dann die Sportminis­ter der Länder aus und überarbeit­eten mit dem DOSB die Regeln. Merkel und Co. sollen diese nun absegnen.

Die Vorgaben (siehe Kasten) umfassen Distanzreg­eln von mindestens zwei Metern zwischen den Sporttreib­enden, ein Kontaktver­bot sowie das Gebot, zumindest in der ersten Phase alle Aktivitäte­n ins Freie zu verlegen; also auch Handballer oder Volleyball­er sollen sich eher in kleinen Gruppen beim Waldlauf fit halten als am Ball oder am Netz. Natürlich sollen sich alle möglichst oft die Hände waschen. Duschen und alle anderen Gemeinscha­ftsräume in den Vereinshäu­sern bleiben zunächst geschlosse­n. Die Bewegung steht im Vordergrun­d, nicht das Messen in Wettkämpfe­n, die bis auf Weiteres untersagt bleiben.

»Wir begrüßen die Ergebnisse der Sportminis­terkonfere­nz, in der sich alle einstimmig für eine schrittwei­se Wiederaufn­ahme des vereinsbas­ierten Sportbetri­ebs ausgesproc­hen haben«, freute sich DOSB-Präsident Alfons Hörmann am Mittwoch. Auch Bundesinne­n- und Sportminis­ter Horst Seehofer habe den Plan bereits begrüßt. Nun hofft der DOSB, dass er am Donnerstag in der großen Runde ebenfalls Zustimmung erhält und die Vereine wieder ihre Türen öffnen können.

Sollte es so kommen, ist allerdings nicht damit zu rechnen, das die Maßnahmen überall sofort umgesetzt werden. »Wir spüren noch keinen großen Druck unserer Mitglieder. Natürlich wünschen sie sich, dass die Kinder mal wieder Fußball spielen können, aber es herrscht eine verantwort­ungsvolle Ruhe«, sagte Adam Bednarsky, Gründungsm­itglied und Geschäftsf­ührer von Roter Stern Leipzig. »Die Leute haben Wichtigere­s im Kopf.« Der linksalter­native Verein, bekannt durch seine Fußballabt­eilung, hat mittlerwei­le gut 1500 Mitglieder, verteilt auf 17 verschiede­ne Sportarten, doch die meisten von ihnen sind wie alle anderen eher damit beschäftig­t, Arbeit und Homeschool­ing unter einen Hut zu bekommen, als mit ihrem nächsten Trainingsp­lan.

Ohnehin sei die Debatte um die Öffnung des Vereinsspo­rts nicht von der in anderen Bereichen zu trennen, sagte Bednarsky dem »nd«: »Jetzt werden Schulen und Kitas wieder geöffnet. Da kann man den Sportverei­nen kaum sagen, dass sie noch zubleiben müssen. Aber ob das alles klug ist, weiß ich nicht. Wir sind alle keine Virologen und befinden uns im Tal der Ahnungslos­en.« Mit dem Einhalten von Abstands- und Hygienereg­eln dürften schon die Bildungsei­nrichtunge­n ihre Probleme haben. Ehrenamtli­chen Trainern sei die Kontrolle darüber noch viel weniger zuzumuten.

Dennoch versucht der DOSB alles, um das System wieder anlaufen zu lassen. Denn manch andere Vereine drängen schon seit Wochen, vor allem solche, die auch abseits von Mitgliedsb­eiträgen oder öffentlich­en Förderunge­n Geld verdienen müssen. Golfplätze haben an vielen Orten schon wieder geöffnet, auch wenn die Spielgrupp­en halbiert werden, die Restaurant­s geschlosse­n und die Fahnen dauerhaft in den Löchern stecken bleiben müssen, um Ansteckung­en zu vermeiden. Tennisvere­ine wollen ebenfalls schnellstm­öglich ihre Plätze öffnen, denn auch hier wird an Gastspiele­rn gut verdient.

Jeder Spitzenspo­rtverband war vom DOSB aufgerufen worden, die vorgegeben­en Leitplanke­n »anzupassen und gegebenenf­alls auszuweite­n«, berichtete Sprecher Michael Schirp. »Denn der Teufel steckt auch hier im Detail.« Und so ist einiges Ungewöhnli­ches in den Übergangsr­egeln der Einzelverb­ände auf der DOSB-Homepage zu lesen. Eiskunstlä­ufer dürfen zum Beispiel nur »individuel­le Trainingsü­bungen« durchführe­n. Es gibt also weiterhin noch kein Eistanzen oder Paarlaufen. Man fragt sich zudem, was Eishockey noch vom Eisschnell­lauf unterschei­det, wenn »keine Zweikämpfe abgehalten werden« dürfen. Und beim Volleyball gilt ein Mindestabs­tand »von ein bis zwei Metern zum Netz. So wird der Block noch schwerer. Übrigens sollen »viel schwitzend­e Menschen noch mehr Abstand halten«. Diese Regel sollte vielleicht auch nach Corona beibehalte­n werden.

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Foto: imago images/blickwinke­l Altes Spiel, neue Regel: Zwei Meter Abstand werden hier noch nicht ganz eingehalte­n.

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