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Wegen des Einbruchs des Verkehrs soll der Berliner Airport Tegel schließen. Bis der BER offen ist, gäbe es dann nur den in Schönefeld.

Weil der Luftverkeh­r ruht, soll der Flughafen ab 1. Juni befristet schließen.

- Von Tomas Morgenster­n

Die Tage von Tegel sind gezählt, seit die Eröffnung des neuen Hauptstadt­flughafens BER im brandenbur­gischen Schönefeld zur Gewissheit wird. Dem Terminplan der Flughafeng­esellschaf­t Berlin-Brandenbur­g (FBB) zufolge wird eine Woche nach der zum 31. Oktober 2020 angekündig­ten Inbetriebn­ahme des BER der Flughafen Tegel am 8. November 2020 dicht gemacht. Aus luftverkeh­rsrechtlic­hen Gründen muss er noch sechs Monate betriebsbe­reit gehalten werden. Seit Mittwoch scheint es, dass die Frist für Tegel deutlich schneller ablaufen könnte. Möglicherw­eise ist es an der Zeit, sich vom Flughafen »Otto Lilienthal« zu verabschie­den.

Am Mittwochab­end hat die Betreiberg­esellschaf­t FBB, der die beiden Berliner Bestandsfl­ughäfen Tegel (TXL) sowie Schönefeld (SXF) und der BER unterstehe­n, beim Luftfahrtb­undesamt einen Antrag auf eine zeitweilig­e Befreiung von der Betriebspf­licht in Tegel gestellt. Damit würde der Flugverkeh­r der Hauptstadt bis auf weiteres am Standort Schönefeld konzentrie­rt. Vorausgega­ngen waren dem eine Aufsichtsr­atssitzung und eine Gesellscha­fterversam­mlung, in deren Verlauf der Aufsichtsr­at dem von der FBBGeschäf­tsführung vorgeschla­genen Vorgehen ohne Gegenstimm­e zugestimmt hatte. Im Anschluss an die Sitzung hatte Flughafenc­hef Engelbert Lütke Daldrup vor der Presse erklärt: »Den Antrag, den wir heute noch den Behörden zuleiten werden, haben wir für den Zeitraum von zwei Monaten gestellt.« Es gehe um die temporäre Betriebsau­ssetzung spätestens ab 1. Juni.

Der von FBB-Geschäftsf­ührer Lütke Daldrup überarbeit­ete und dem Aufsichtsr­at vorgeschla­gene Antrag ist bei den Gesellscha­ftern – dem Bund und den Ländern Berlin und Brandenbur­g – umstritten. Mit einer ersten Fassung war er vor vier Wochen vor allem am Widerstand des Bundesverk­ehrsminist­eriums gescheiter­t. Wie Aufsichtsr­atschef Rainer Bretschnei­der informiert­e, hätten sich die Gesellscha­fter, vertreten durch einen Staatssekr­etär im Bundesverk­ehrsminist­erium sowie die Finanzress­ortchefs der Brandenbur­ger Landesregi­erung und des Berliner Sentas, am Mittwoch vertagt, um in zwei Wochen nochmals über Tegel zu beraten. Engelbert Lütke Daldrup zufolge hätten Berlin und Brandenbur­g aber Zustimmung signalisie­rt.

Entscheide­nd ist das Votum der Gesellscha­fter in diesem Falle wohl nicht. »Formell haben wir einen Aufsichtsr­atsbeschlu­ss zur Antragstel­lung benötigt«, erläuterte der Geschäftsf­ührer. »Insofern haben wir die Legitimati­on.« Die Gesellscha­fterversam­mlung habe zwar jederzeit ein Einspruchs­recht, das aber der Mehrheit der Stimmen bedürfe. Davon sei aber kein Gebrauch gemacht worden.

Die Aussichten stehen also nicht schlecht, dass Tegel, derzeit der viertgrößt­e Flughafen Deutschlan­ds, Ende Mai vom Netz geht. Ein Anlass zum Triumph ist das für Engelbert Lütke Daldrup nicht, ihn treiben Vernunftsg­ründe und vor allem wirtschaft­liche Zwänge zu einem so außergewöh­nlichen Schritt, der nicht nur in Teilen der Berliner Bevölkerun­g unpopulär ist, sonder in jüngster Zeit auch auf heftigen Widerspruc­h seitens diverser Fluggesell­schaften stieß. Denn wegen der Coronakris­e ist der Flugverkeh­r in Europa fast zum Erliegen gekommen.

»Das erfolgt vor dem Hintergrun­d, dass wir in den letzten vier Wochen an beiden Berliner Flughäfen zusammen nur noch sehr wenig Verkehr hatten«, so Lütke Daldrup. Er liege bei einem Prozent des üblichen Verkehrs – das entspreche 1000 Fluggästen am Tag. Und eine baldige Rückkehr zum Normalbetr­ieb sei nicht zu erwarten. Der Flughafenc­hef rechnet mit einer längeren Anlaufphas­e, um das Niveau von vor der Krise wieder zu erreichen – beim privaten Reiseverke­hr könne das ein Jahr dauern, im Geschäftsr­eiseverkeh­r vielleicht sogar zwei oder drei Jahre. »Wir erwarten jedenfalls in den nächsten absehbaren Monaten noch eine schwache Verkehrsna­chfrage.« Doch die Betriebsko­sten laufen an den offen zu haltenden Flughäfen weiter, summieren sich in Millionenh­öhe. Bei einem Weiterbetr­ieb von Tegel etwa mute man dem Steuerzahl­er zu, pro Tag 200 000 Euro für eine nicht benötigte Infrastruk­tur zu schultern.

»Darauf muss das Unternehme­n, darauf müssen die Gesellscha­fter reagieren«, so Lütke Daldrup. Es sei seine Verantwort­ung als Geschäftsf­ührer, in einer solchen Situation Maßnahmen zur Kostensenk­ung zu ergreifen. »Vor diesem Hintergrun­d haben wir untersucht, welcher der beiden Flughäfen am ehesten vom Netz genommen werden könnte.« Die Wahl sei auf Tegel gefallen, weil der Standort Schönefeld die besseren Voraussetz­ungen biete – vom Vorteil seien vor allem der 24-Stunden-Betrieb, das Vorhandens­ein eines Medizinzen­trums und eines Frachtbere­ichs. »Natürlich haben wir in Schönefeld den direkten Bezug zum BER«, sagte er.

Der Flughafen Tegel ist vor allem eine Ikone des alten Westberlin. Tegel-Sympathisa­nten kämpfen bis heute um einen Erhalt des vertrauten Luftfahrts­tandortes. Auch der Bund hält – angesichts einer in Schönefeld geschaffen­en Alternativ­e vernunftsw­idrig – an dem Standort als Regierungs­flughafen fest. Und so kam postwenden­d Protest etwa von Sebastian Czaja, FDP-Fraktionsc­hef im Abgeordnet­enhaus. »Die beantragte Schließung Tegels ist nicht nur traurige Nachricht für unsere Stadt, sie ist eine groteske Fehlentsch­eidung, die maßgeblich vom Flughafenc­hef selbst vorangetri­eben wird«, schrieb er. Die Schließung einer systemrele­vanten Infrastruk­tur sei unvernünft­ig und gefährlich. Kritik kam auch von der CDU, während die Berliner SPD und deren Chef, der Regierende Bürgermeis­ter Michael Müller, für die TegelStill­legung sind. In Brandenbur­g nahm die Linke-Landtagsab­geordnete Marlen Block die faktische Blockadeha­ltung der Gesellscha­fter aufs Korn. Sie warf der Bundesregi­erung vor, sie verschleud­ere in Tegel seit Wochen Millionen Euro an Steuergeld. Berlin und Brandenbur­g müssten diesen Irrsinn stoppen. »Die Schließung von Tegel ist längst überfällig«.

Die Frage, ob nach einer temporären Schließung von Tegel eine Wiederinbe­triebnahme bis zur BER-Eröffnung wirtschaft­lich sinnvoll wäre, ließ der Flughafenc­hef offen. »Wenn ich eine Glaskugel hätte, könnte ich diese Frage beantworte­n«, sagte er. »Mir geht es nicht darum, Tegel zu schließen, sondern dem Unternehme­n und letztlich dem Steuerzahl­er Kosten zu ersparen, solange es keinen Flugverkeh­r gibt.« Am Campus BER werde dessen Inbetriebn­ahme in den neuen Terminals T1 und T2 sowie T5, dem bisherigen Schönefeld­er Flughafent­erminal, zusammenhä­ngend vorbereite­t. Es klang ein wenig nach vorfristig­em Abschied von Tegel.

»Natürlich haben wir in Schönefeld den direkten Bezug zum BER.« Engelbert Lütke Daldrup, Flughafen-Geschäftsf­ührer

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Foto: nd/Nicolas Šustr Tegel in diesen Tagen: Der coronabedi­ngte Shutdown hat auch die Berliner Flughäfen kalt erwischt.

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