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Oliver Eberhardt Arabische Liga verurteilt Israels Annexionsp­läne

Die Arabische Liga verurteilt Israels Annexionsp­läne scharf.

- Von Oliver Eberhardt

Corona, nichts als Corona. Dennoch geht das Leben für manche einen viel zu gewohnten Gang: Im Westjordan­land sind in diesen Tagen mehr israelisch­e Soldaten als sonst unterwegs, um palästinen­sischen Hausbesitz­ern jene Schriftstü­cke zu überbringe­n, mit denen der Prozess der Hauszerstö­rung beginnt: Die Bewohner haben einige Tag Zeit, um das Gebäude zu räumen; dann kommen Bagger und Bauarbeite­r und reißen es ein. Offiziell sind diese Häuser ohne Baugenehmi­gung gebaut worden.

Doch bei der palästinen­sischen Regierung wie auch in vielen Hauptstädt­en der arabischen Welt hat man eine andere Vermutung: »Wir glauben, dass das israelisch­e Militär damit begonnen hat, die Annexion von Teilen Palästinas vorzuberei­ten«, sagte der palästinen­sische Außenminis­ter Riad al Maliki in einem kurzen Statement. »Warum sonst sollte man mitten in einer Gesundheit­skrise Menschen das Dach über dem Kopf nehmen?«

Denn wenn der extrem umfangreic­he Koalitions­vertrag, an dem man derzeit in der israelisch­en Politik feilt, tatsächlic­h in eine Regierung mündet, dann wird man am 1. Juli große Teile dieser Gebiete zu israelisch­em Staatsgebi­et erklären. Am Donnerstag haben sich die Außenminis­ter der Staaten der Arabischen Liga in einer Videokonfe­renz mit dem Thema befasst, und am Ende, erwartungs­gemäß, eine Stellungna­hme herausgege­ben, in der man den geplanten Schritt scharf verurteilt: Die Umsetzung des Plans »stellt ein weiteres Kriegsverb­rechen dar, das zu der langen Liste von brutalen Verbrechen gegen das palästinen­sische Volk hinzu kommt«.

Ahmed Abul Gheit, Generalsek­retär der Arabischen Liga, beschuldig­te die israelisch­e Politik zudem, die Coronakris­e auszunutze­n, um Fakten zu schaffen. Am Mittwoch hatte das USAußenmin­isterium mitgeteilt, man werde die Annektieru­ng anerkennen. Dies war erwartet worden, weil auch im Nahostplan, den Präsident Donald Trump vor einigen Monaten vorgestell­t hat, Teile des Westjordan­lands für Israel vorgesehen sind. Zwar forderte US-Außenminis­ter Mike Pompeo beide Seiten nun auch zu Verhandlun­gen auf und stellte zudem die Anerkennun­g eines palästinen­sischen Staats in Aussicht.

Doch es ist unwahrsche­inlich, dass man sich tatsächlic­h in absehbarer Zeit am Verhandlun­gstisch wiedersieh­t, denn dazu sind die Dinge zu aussichtsl­os. Längst ist in Israel die Zustimmung zu einer Annektieru­ng nicht mehr nur auf die Rechte begrenzt. Auch der eigentlich dem Zentrum zugehörige ehemalige Generalsta­bschef Benny Gantz, der zusammen mit ungefähr der Hälfte der Blau-Weiß-Liste in die Regierung eintreten will, ist nicht dagegen, und selbst die sozialdemo­kratische Arbeitspar­tei will in die Koalition eintreten. Denn in der Praxis ist eine Annektieru­ng ohnehin überwiegen­d symbolisch: Israel hat bereits die volle Kontrolle über jene Teile des Westjordan­lands, die in den Osloer Verträgen als Gebiet C bezeichnet werden. Gebiet A umfasst das palästinen­sische Autonomieg­ebiet; im Gebiet B haben die Palästinen­ser die zivile und Israel hat die militärisc­he Kontrolle. Und es ist auch nicht geplant, jenen Palästinen­sern, die im Gebiet C leben, die israelisch­e Staatsbürg­erschaft anzubieten. Für sie bliebe also zunächst einmal alles so, wie es ohnehin schon ist.

In der arabischen Welt ist man sich allerdings längst nicht so einig, wie es nach dem Treffen am Donnerstag scheint: Es war das erste Mal seit sehr langer Zeit, dass man sich im Rahmen der Arabischen Liga überhaupt umfassend mit der Situation der Palästinen­ser befasste; im Laufe der Jahre war das Thema auf der Tagesordnu­ng immer weiter nach unten gerutscht.

Aus gutem Grund: Vor allem in Saudi-Arabien und den Golf-Staaten hat man längst angefangen, mit Israel zu reden; vor allem die kurzen Wege ans Mittelmeer haben es den Regierunge­n auf der arabischen Halbinsel angetan. Und dann ist da auch noch die ewige Führungskr­ise der Palästinen­ser: Präsident Mahmud Abbas ist alt und krank; regiert von Tag zu Tag autokratis­cher und ohne jegliche Legitimati­on – und auch ohne Kontrolle über den eigentlich zu den palästinen­sischen Autonomieg­ebieten gehörenden Gazastreif­en, wo die Hamas regiert. In der eigenen Bevölkerun­g ist er deshalb extrem unbeliebt. Trotzdem bremst er alle Bemühungen aus, einen Nachfolger zu finden.

Einen Plan, wie es weitergehe­n soll, hat nun auch die Arabische Liga nicht vorgelegt. Offen ist auch, wie man reagieren wird, wenn Israels künftige Regierung ihre Pläne tatsächlic­h umsetzt. Die Vereinigte­n Staaten sollten ihre Unterstütz­ung für die Annektieru­ng umgehend zurückzieh­en, fordert man im Statement. Und vor allem die Regierung Saudi-Arabiens ist dabei in Erklärungs­nöten – immerhin war Trumps Plan in der Ausarbeitu­ng mit Kronprinz Mohammed bin Salman abgestimmt worden.

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Foto: AFP Leben in Gebiet C: Eine palästinen­sische Familie verlässt ihr Haus südlich von Yatta. Es soll auf Anordnung Israels abgerissen werden.

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