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Bei Fieber heißt es: Rückflug

Passend zum Tag der Arbeit kommen rund 150 Spargelste­cher aus Rumänien in Berlin an.

- Von Johanna Treblin

Der Weg zum Flughafen Schönefeld ist einsam: Wenige Menschen sitzen in der Bahn, niemand steigt in Schönefeld aus. Wozu auch? Die meisten Flüge sind gestrichen. Die Ankunftsha­lle ist fast verwaist, die Touristeni­nformation geschlosse­n, die Rollläden vor den Geschäften sind herunterge­lassen. Die Theke eines Cafés ist eingestaub­t.

Für 8.50 Uhr ist ein Flug aus Sibiu angekündig­t, hier besser bekannt als Hermannsta­dt. Die Chartermas­chine mit Saisonkräf­ten aus Rumänien hat knapp 45 Minuten Verspätung. Bis die Reisenden in den öffentlich­en Bereich kommen, dauert es. Zunächst werden sie medizinisc­h untersucht: einmal Fieber messen; bei wem das Thermomete­r mehr als 37 Grad anzeigt, muss zurück.

Es sind Frauen und Männer, die dann peu à peu in den Ankunftsbe­reich tröpfeln, viele alte Menschen sind dabei. Ein polizeilic­hes Absperrban­d soll die rund 150 Rumänen in die richtige Richtung lotsen, zu den Bussen, die draußen bereitsteh­en. Die Busse sollen einige von ihnen nach Kirchdorf bei Hannover bringen. Dort sitzt die Firma Thiermann, einer der größten Spargelbet­riebe Deutschlan­ds. Andere Saisonkräf­te sollen nach Beelitz fahren.

Am Rand der Absperrung stehen Mitarbeite­r des DGB-Büros »Faire Mobilität«, das Arbeitnehm­er aus osteuropäi­schen Ländern berät und unterstütz­t. Sie halten den Ankommende­n ein Plakat entgegen. Ein Übersetzer heißt sie willkommen und erklärt: »Wenn Sie Hilfe brauchen oder Probleme mit dem Arbeitgebe­r haben, können Sie hier gratis anrufen.« Er zeigt auf mehrere Stapel mit Flyern, die auf einem Stuhl ein paar Meter entfernt liegen. Die meisten greifen zu, setzen dabei ihre schweren Taschen auf dem Boden ab. Nur wenige gehen einfach weiter. Am Ausgang winkt ein Mann und treibt zur Eile an. »Eine ist genug!«, ruft er auf Rumänisch einem Mann zu, der es seinem Vordermann gleich tut und eine Karte mit der Hotline nehmen möchte.

Auch ein Vertreter des Hofes, für den die meisten rumänische­n Helfer arbeiten sollen, zeigt sich nicht angetan von der Anwesenhei­t der Gewerkscha­ftsvertret­er – genauso wenig wie von der Presse. Er möchte weder seinen Namen noch den seines Betriebs nennen. Ein Polizist, der das Auslegen der Flyer zunächst untersagen will, fragt ihn, ob er mit der Aktion einverstan­den sei. »Das ist ein freies Land, wenn der Abstand eingehalte­n wird ...«, entgegnet der Unternehme­nsvertrete­r. Auf Nachfrage des »nd« erklärt der Polizist, er habe es für »höflich und nötig« befunden, den Mann nach seiner Meinung zur Aktion zu fragen.

Was die Abstandsvo­rschriften angeht: Die Busse sind zwar nicht voll besetzt, oftmals sitzen aber zwei Personen nebeneinan­der. Das sei schon in Ordnung, so der Vertreter des Spargelhof­s, die Polizei würde schon eingreifen, wenn die Abstände nicht eingehalte­n werden. Auch auf dem Hof selbst halte man sich an alle Vorschrift­en. Ob dem so ist, wird die »Faire Mobilität« danke Hotline sicherlich bald erfahren.

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