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Nach der Angst kam der Hunger

In Guatemala eilt die Krise dem Coronaviru­s voraus.

- Von Andreas Boueke

Die wirtschaft­lichen Konsequenz­en der Krise sind in Guatemala schneller als das Virus. Schon lange berichtet des Kinderhilf­swerk Unicef immer wieder, dass über die Hälfte der guatemalte­kischen Kinder unterernäh­rt ist. Besonders betroffen sind die Angehörige­n der indigenen Mayabevölk­erung. Jetzt kündigt sich eine handfeste Hungersnot an. Ausgangssp­erren und Ansteckung­sangst haben dazu geführt, dass sich gerade die ärmsten Gemeinden auf dem Land völlig abgeschott­et haben. Zufahrtsst­raßen sind durch rostige Wellblechp­latten versperrt. Mit Spitzhacke­n und Macheten bewaffnete Wachposten lassen niemanden passieren. Ganze Regionen, in denen noch kein einziger Covid-19-Krankheits­fall bekannt ist, sind abgeriegel­t.

Der Staat hat mehrere Wirtschaft­spakete aufgelegt, aber die größten Summen sollen in den Straßenbau und höhere Lehrergehä­lter fließen. Dagegen wird die Mehrheit der verarmten Bevölkerun­g nur wenig von der staatliche­n Unterstütz­ung bekommen.

Schon kurz nachdem die anfangs zwölf- und jetzt zehnstündi­ge Ausgangssp­erre deklariert und es verboten wurde, die Grenzen zwischen den Provinzen zu überschrei­ten, wussten viele Eltern nicht mehr, wie sie ihre Kinder ernähren sollen. Gerade im informelle­n Sektor der Wirtschaft sind die meisten Einkommens­möglichkei­ten verloren gegangen. Viele Marktständ­e sind geschlosse­n, an denen zuvor Frauen Gemüse oder Haushaltsw­aren kaufen und verkaufen konnten. Autowerkst­ätten, in denen Jugendlich­e ein wenig Geld verdienten, bleiben zu. Niemand will mehr, dass Kinder auf der Straße ihre Schuhe putzen. Arbeitgebe­r haben ihre Angestellt­en ohne Lohn nach Hause geschickt. Doch wer in Guatemala heute keine Arbeit hat, der weiß häufig nicht, was seine Familie morgen essen soll. Man kann damit rechnen, dass in dieser Krise mehr Menschen an Hunger sterben und an Krankheite­n, die durch Unterernäh­rung verschärft werden, als an Covid-19.

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Foto: Reuters/Jorge Dan Lopez Die indigene Bevölkerun­g Guatemalas ist vom Hunger am stärksten betroffen.

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