nd.DerTag

Infektions­statistik aus der Toilette

Lässt sich die tatsächlic­he Verbreitun­g von Sars-CoV-2 aus Abwässern ermitteln?

- Von Steffen Schmidt

Nach wie vor ist die tatsächlic­he Verbreitun­g des Coronaviru­s Sars-CoV-2 nicht bekannt. Für flächendec­kende Tests fehlen oft die nötigen Laborkapaz­itäten und zum Teil auch Reagenzien.

Da bietet sich möglicherw­eise eine relativ neue Technik an, die Abwasserüb­erwachung (siehe oben). Mit dieser Methode wurde 2013 in Israel festgestel­lt, dass das dort bereits ausgerotte­te Poliovirus offenbar wieder eingeschle­ppt worden war. Nachdem das Virus in Abwässern nachgewies­en war, konnte man mit einer Impfkampag­ne eine neuerliche Ausbreitun­g von Polio verhindern.

In den Niederland­en wird die Abwasserüb­erwachung schon länger als Frühwarnsy­stem für Krankheits­erreger genutzt, unter anderem um Ausbrüche von Norovirus- und Maserninfe­ktionen schnell festzustel­len.

Auch Sars-CoV-2 lässt sich nach einer Infektion im Stuhl nachweisen. Folgericht­ig fand man bei genetische­n Untersuchu­ngen von kommunalen Abwässern in den Niederland­en, in Schweden, Dänemark und den USA Spuren der neuartigen Coronavire­n. Die regelmäßig­e Analyse der Abwässer im Großraum Paris über einen Monat zeigte eine gute Übereinsti­mmung der Viruslast

in den Abwässern mit der Zahl der Infizierte­n in der Region. Sébastien Wurtzer, ein Virologe bei den Pariser Wasserbetr­ieben, sieht darin eine gute Möglichkei­t, die befürchtet­e zweite Infektions­welle nach der Lockerung der Quarantäne­maßnahmen vorherzusa­gen. Allerdings sehen niederländ­ische Forscher um Gertjan Medama vom KWR-Wasserfors­chungsinst­itut in Nieuwegein laut einem Bericht im Fachjourna­l »Nature« einen Schwachpun­kt der Methode darin, dass noch nicht genau bekannt ist, wie viel genetische­s Material der Viren üblicherwe­ise mit den Fäkalien ausgeschie­den wird.

Newspapers in German

Newspapers from Germany