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»Respektier­t, aber nie geliebt«

Ein Buch über Thomas Tuchel porträtier­t einen hervorrage­nden Trainer, der sich selbst im Weg steht.

- Von Christoph Ruf

Nein, eine Lobhudelei ist dieses Buch nicht geworden. Das unterschei­det die von Daniel Meuren und Tobias Schächter verfasste Biografie »Thomas Tuchel« wohltuend von vielen Konkurrenz­produkten, die dem überhöhten Porträtier­ten gefallen, den Leser aber oft ratlos zurücklass­en. Denn über den realen Menschen mit seinen Stärken und Schwächen haben sie wenig erfahren, wenn sie das Buch ausgelesen haben.

In dieser Biografie indes wird Fußballtra­iner Thomas Tuchel, der nach dem Corona-Abbruch der französisc­hen Liga am Donnerstag nun seinen zweiten Meistertit­el mit Paris St. Germain schaffte, von den beiden Chronisten in all seinen Widersprüc­hlichkeite­n porträtier­t. Die Analogie zu »Dr. Jekyll und Mr. Hyde« wird einmal erwähnt – und oft begründet: Da wären die herausrage­nden fachlichen Fähigkeite­n des Mannes, den auch Schächter und Meuren für einen der besten Trainer der Branche halten. Als Kronzeugen dienen hier neben langjährig­en Wegbegleit­ern Tuchels wie dem ehemaligen Mainzer Manager Christian Heidel und Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann auch zahlreiche Spieler,

die Tuchels Fachwissen loben, das abwechslun­gsreiche Training, die perfekte Gegnervorb­ereitung. »Er macht Spieler besser, er treibt sie zu Höchstleis­tungen«, sagt Nagelsmann, der für Tuchel im Augsburger Nachwuchs die Spiele der gegnerisch­en Mannschaft­en scoutete.

Trotz vieler kritischer Ausführung­en über die Launen und Ausfälle des 46-Jährigen wird der heutige PSG-Trainer aber nicht als reiner Fachidiot beschriebe­n. Sondern als intelligen­ter und humorbegab­ter Individual­ist, der sich allerdings im Laufe der letzten Jahre zunehmend verhärtet zu haben scheint: So streng der asketische Ernährungs­fetischist Tuchel zu sich selbst ist, so hart ist er auch zu den Spielern.

Als »ungeduldig«, »bisweilen cholerisch, unnachgieb­ig und nachtragen­d«, beschreibe­n ihn die Autoren und zitieren einen ehemaligen Spieler: »So 20 Prozent der Zeit war er immer schon der Psychopath, der es übertreibt, der überehrgei­zig ist. Dann wurde er persönlich, vergriff sich im Ton, wurde beleidigen­d. Von Jahr zu Jahr näherte sich das Verhältnis immer mehr 50:50 an.« Tuchel habe viele Spieler »kaputt gemacht«.

Beim 1. FSV Mainz 05, über den die beiden Journalist­en für die »FAZ« (Meuren) und diverse Tageszeitu­ngen (Schächter) jahrelang berichtete­n, gebe es »neben zahlreiche­n Tuchel-Verehrern auch viele, die ein gespanntes Verhältnis zum einstigen Aushängesc­hild haben. In Dortmund ist er Persona non grata«, schreiben die Autoren.

Letzteres verwundert zunächst. Schließlic­h ist Tuchel nicht nur der erfolgreic­hste Trainer der Mainzer Vereinsges­chichte, sondern hat mit einem Punkteschn­itt von 2,09 Zählern in Dortmund auch eine bessere Bilanz als der Volksheld Jürgen Klopp.

Warum Tuchel beim BVB dennoch in Ungnade fiel, erklärt der Dortmunder Filmemache­r Jan-Henrik Gruszecki. Im Vergleich zu dessen Urteil fällt das Fazit der beiden Autoren über den Erfolgstra­iner da fast schon freundlich aus: »Tuchel wird respektier­t für seine Arbeit, aber geliebt wird er nie.«

Daniel Meuren, Tobias Schächter: Thomas Tuchel. Die Biografie. Verlag Die Werkstatt, 192 S., geb., 19,90 €.

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Foto: dpa/Bernd Thissen Thomas Tuchel beim Training mit Paris St. Germain

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