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Bolsonaro lässt Favelas im Stich

Brasilien rechtsextr­emer Präsident gerät inmitten der Corona-Pandemie unter Druck

- Nfr

Berlin. Brasiliens rechtsextr­emer Präsident Jair Bolsonaro gerät inmitten der Coronakris­e weiter unter Druck. Am Samstag wurde sein ExJustizmi­nister Sergio Moro acht Stunden lang von der Bundespoli­zei in der Stadt Curitiba zu dessen schweren Anschuldig­ungen gegenüber dem Präsidente­n befragt. Moro wirft Bolsonaro vor, den Chef der Bundespoli­zei ausgetausc­ht zu haben, um Einfluss auf Ermittlung­en gegen die Präsidente­nsöhne nehmen zu können. Nach seinem Rücktritt hatte der Justizmini­ster erklärt, Bolsonaro habe ihm gesagt, dass er den entlassene­n Polizeiche­f durch jemanden ersetzen wolle. Dies sollte eine Person

sein, »die er persönlich kennt und die er anrufen könnte, um Informatio­nen zu laufenden Ermittlung­en zu erhalten«. Ein Richter am Obersten Gericht des Landes hatte nach Moros Erklärung die Bundespoli­zei vergangene Woche angewiesen, die Vorwürfe zu untersuche­n. Diese Untersuchu­ng könnte den Weg zu einem Amtsentheb­ungsverfah­ren gegen Bolsonaro ebnen. Der Präsident weist Moros Vorwürfe indes als »unbegründe­t« zurück.

Moro ist nach Luiz Henrique Mandetta der zweite Minister, den Bolsonaro inmitten der Corona-Pandemie verliert. Der von Bolsonaro entlassene Mandetta hatte als Gesundheit­sminister

ein entschiede­nes Vorgehen gegen das Coronaviru­s gefordert, das der Präsident bis heute verharmlos­t. Dabei hat Sars-Cov2 in Brasilien bisher über 5000 Todesopfer gefordert.

Besonders bedroht durch eine ungehemmte Verbreitun­g des Virus sind die Favelas, wo eine soziale und medizinisc­he Katastroph­e droht. Die in der Favela Maré in Rio de Janeiro geborene Thaís Cavalcante beschreibt für »nd« in ihrer Reportage die Situation der Bewohner. Polizeigew­alt und Bandenkrim­inalität sorgen schon lange für Angst in Maré, nun ist noch jene vor dem Virus hinzugekom­men.

Der Favela-Komplex Maré befindet sich im Norden von Rio de Janeiro, ganz in der Nähe des internatio­nalen Flughafens . Die drei wichtigste­n Autobahnen der Stadt laufen unmittelba­r am Stadtteil vorbei. Rund 140 000 Menschen wohnen in den 16 Gemeinden, die den Favela-Komplex bilden.

Gegründet wurde Maré in den 1940er Jahren. Damals war das Land noch Mangrovens­umpfgebiet, die Bewohner*innen errichtete­n ihre Hütten auf Stelzen. Einen rasanten Bevölkerun­gszuwachs erlebte die Favela vor 30 Jahren. Damals kamen Hunderttau­sende armer Migrant*innen aus dem Nordosten in der Hoffnung auf Arbeit nach Rio de Janeiro.

Bis heute ist das Gebiet von staatliche­r Seite stark vernachläs­sigt geblieben. In den Stadtteil verirrt sich nur selten ein Tourist, auf vielen Karten der Stadt ist das Gebiet ein weißer Fleck. Drogengang­s kontrollie­ren die Favela, die zu den gewalttäti­gsten Regionen in ganz Brasilien zählt. Im Gegensatz zu den Favelas Cidade de Deus und Rocinha haben die Drogengang­s aber in Maré keine Ausgangssp­erren wegen des Coronaviru­s durchgeset­zt. Indes liefern sich Polizei und Drogengang­s regelmäßig schwere Gefechte, etliche Menschen sind in den vergangene­n Monaten im Kugelhagel gestorben.

Im Jahr 2014, im Vorfeld der Olympische­n Spiele, besetzte das Militär den Favela-Komplex. Bewohner*innen berichtete­n von schweren Menschenre­chtsverlet­zungen von Seiten der Soldaten. Mittlerwei­le ist das Militär abgezogen, die Gewalt und Repression von Sicherheit­skräften ist jedoch immer noch trauriger Alltag. Mit Amtsantrit­t des ultrarecht­en Gouverneur­s Wilson Witzel hatte die Polizeigew­alt vorerst stark zugenommen. Seit Corona gibt es zwar weniger Polizeiein­sätze, doch nun droht durch das Virus eine andere Gefahr.

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Foto: AFP/Carl de Souza Außer Straßen zu desinfizie­ren, tut Brasiliens Regierung nicht gegen das Coronaviru­s.

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