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Die Exekutive profitiert

In den Wahlumfrag­en zieht die Union davon. Höhenflug der Grünen scheint erst einmal beendet zu sein

- Von Aert van Riel

In der Coronakris­e verschiebe­n die Parteien wichtige programmat­ische und personelle Entscheidu­ngen. Verlierer der gegenwärti­gen Situation scheint vor allem das Mitte-links-Lager zu sein.

Die Coronakris­e hat auch Auswirkung­en auf die Umfragewer­te der Parteien. Anfang März hatte das Meinungsfo­rschungsin­stitut Forsa gemeldet, dass Grüne, SPD und Linksparte­i nach jüngsten Erhebungen einer gemeinsame Mehrheit im Bund hätten. Doch das Blatt hat sich inzwischen gewendet. Krisengewi­nnerin unter den Parteien ist vor allem die Union. Sie hat deutlich zugelegt und steht mittlerwei­le bei 37 bis 39 Prozent.

Den Konservati­ven dürfte in die Karten spielen, dass niemand mehr über die Pannen und Peinlichke­iten der scheidende­n CDU-Vorsitzend­en Annegret Kramp-Karrenbaue­r redet. Stattdesse­n wird Kanzlerin Angela Merkel in ihrer letzten Legislatur von diversen großen Medien als Krisenmana­gerin gefeiert. Zwar ist Deutschlan­d mit mehr als 160 000 Fällen ein Zentrum der Pandemie, verzeichne­t allerdings mit mehr als 6800 bislang deutlich weniger Todesopfer als andere europäisch­e Länder wie Italien, Frankreich, Spanien oder das Vereinigte Königreich.

Die SPD konnte sich in den Umfragen etwas erholen, kann aber mit Werten von 15 bis 17 Prozent nicht zufrieden sein. Die neuen Parteivors­itzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hatten vor einigen Monaten noch erklärt, bis Ende 2020 Zustimmung­swerte von mehr als 30 Prozent erreichen zu wollen. Noch ist für die Wähler nicht klar, welche Richtung die Sozialdemo­kraten einschlage­n wollen. Hinter den Kulissen schwelt weiter ein Konflikt zwischen Parteilink­en und dem konservati­ven SPD-Flügel. Esken und Walter-Borjans hatten kürzlich vorgeschla­gen, dass eine einmalige Vermögensa­bgabe erhoben werden sollte, um die Krisenkost­en zu finanziere­n. Olaf Scholz, sozialdemo­kratischer Finanzmini­ster und Vizekanzle­r, wollte auf diese Debatte nicht eingehen. Er weiß, dass eine vernünftig­e Reichenbes­teuerung mit der Union ohnehin nicht machbar ist.

Die SPD bemüht sich in der Coronakris­e, dass zumindest ein Teil der Mittelschi­cht nicht schnell in Armut abrutscht. Maßnahmen sind unter anderem die Zahlung von Kurzarbeit­ergeld und eine Verlängeru­ng des Arbeitslos­engelds I in den kommenden Monaten. Hartz-IV-Beziehende gehen im sogenannte­n Sozialschu­tzpaket von Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) hingegen zumeist leer aus.

Aus Sicht der Linksparte­i sind viele Maßnahmen richtig, gehen aber nicht weit genug. Es müsse zusätzlich­es Geld in die Hand genommen und Geringverd­ienenden sowie den Ärmsten geholfen werden, heißt es immer wieder aus dem Karl-Liebknecht-Haus. Die Linke stagniert in den Umfragen und liegt bei sieben bis neun Prozent. Wenn allerdings die Frage in den Mittelpunk­t rücken sollte, wer für die Krisenkost­en aufkommt, könnte das für die Partei von Nutzen sein. Denn sie stellt die weitreiche­ndsten Forderunge­n zur Umverteilu­ng von Reichtum.

Der Höhenflug der Grünen scheint erst einmal vorbei zu sein. Die Coronakris­e hat den Klimawande­l und seine Folgen als das am meisten beachtete Thema abgelöst. Außerdem trägt die Coronakris­e maßgeblich zu einem Rückgang des CO2-Ausstoßes bei, weil es große Einschränk­ungen beim Flugverkeh­r und in der Industrie gibt. Die Ökopartei stand zuletzt bei 14 bis 16 Prozent.

Viele Parteien leiden auch darunter, dass ihre internen Debatten nur begrenzt stattfinde­n können. Eigentlich wäre es nun an der Zeit, wichtige personelle und inhaltlich­e Entscheidu­ngen mit Blick auf die im kommenden Jahr geplante Bundestags­wahl zu treffen. Auch fünf Landtagswa­hlen sind für 2021 angesetzt. Doch in Krisenzeit­en werden Parteitage verschoben oder sie finden, wie bei den Grünen am Wochenende, in abgespeckt­er Version digital statt.

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