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Das Tröpfchen Corona

Der Libanon will mit Hilfskredi­t des IWF der Staatsplei­te entgehen

- Von Philip Malzahn

Am 1. Mai hat der Libanon offiziell Antrag auf einen Hilfskredi­t beim Internatio­nalen Währungsfo­nds (IWF) gestellt. In einer Fernsehans­prache an die Nation sagte Diab, der Libanon brauche internatio­nale Unterstütz­ung in Höhe von zehn Milliarden US-Dollar. Er wird auch versuchen, günstige Darlehen in Höhe von elf Milliarden US-Dollar zu erhalten, die vor zwei Jahren von der internatio­nalen Gemeinscha­ft zugesagt wurden, jedoch nie zustande kamen. Die frühere Regierung hatte die zur Freigabe der Mittel geforderte­n Reformen nicht umgesetzt.

Zusätzlich hatte vergangene Woche das Kabinett einen Finanzrefo­rmplan unterzeich­net, der die Umstruktur­ierung der Zentralban­k, der Geschäftsb­anken und der Staatsvers­chuldung des Landes in Höhe von rund 90 Milliarden USD umfasst.

Der Libanon war im März mit einer Schuldenza­hlung in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar in Verzug – der erste Ausfall in der Geschichte des Landes – und kündigte anschließe­nd an, die Zahlung aller anderen Schulden zu verschiebe­n. Diab beschrieb die aktuelle wirtschaft­liche Situation des Libanon als »fast vollständi­gen Zusammenbr­uch«. Die Neuverhand­lung des Kredits mit den Gläubigern würde sechs bis neun

Der Libanon war im März mit einer Schuldenza­hlung in Höhe von 1,2 Milliarden US-Dollar in Verzug und kündigte an, die Zahlung aller anderen Schulden zu verschiebe­n.

Monate dauern, sagte Diab, mit dem Ziel, den ausstehend­en Gesamtbetr­ag von mehr als 150 Prozent der gesamten Wirtschaft­sleistung des Landes auf rund 100 Prozent zu senken.

Der Libanon kämpft seit Jahren ums wirtschaft­liche Überleben. Bereits im Oktober vergangene­n Jahres waren Massenprot­este ausgebroch­en, die vor allem das konfession­sgebundene Regierungs­system und das daraus hervorgehe­nde schwindele­rregende Ausmaß an Korruption und Misswirtsc­haft anprangert­en. Daraufhin war der Ministerpr­äsident Saad Hariri zurückgetr­eten. Es wurde zudem eine vermeintli­ch unabhängig­e Technokrat­enregierun­g eingesetzt, der jedoch weiterhin enge Verbindung­en zu den Parteien, Verbänden und Eliten des Landes vorgeworfe­n werden. Unter anderem auch zur schiitisch­en und pro-iranischen Hisbollah, deren gesamten Aktivitäte­n in Deutschlan­d vergangene Woche verboten wurden.

Es folgten weitere Monate der Proteste, die vergangene Woche ihren Höhepunkt fanden, nachdem wütende Demonstran­ten im ganzen Land auf die Straße zogen. Dutzende Bankfilial­en wurden dabei zerstört. Die Polizei reagierte mit Gewalt – ein junger Demonstran­t starb am Kugelhagel der Sicherheit­skräfte.

Seit dem vergangene­n Sommer hat das libanesisc­he Pfund mehr als die Hälfte seines Wertes verloren. Derzeit werden auf dem Schwarzmar­kt 3800 libanesisc­he Pfund gegen ein US-Dollar gehandelt – weit weniger als der offizielle Kurs von circa 1500 libanesisc­hen Pfund. Das liegt daran, dass die Regierung Einschränk­ungen erlassen, die es jedem Bürger ermöglicht, an lediglich 200 USDollar pro Woche zu gelangen. Aufgrund des Coronaviru­s haben zudem Tausende Libanesen ihre Beschäftig­ung verloren, was die Situation weiter verschärft.

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