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Der Kranich wird mit Steuergeld gefüttert

Der Staat will sich an Lufthansa beteiligen – Beschäftig­te hoffen auf Unternehme­nsrettung, Konkurrent­en wittern illegale Subvention­en

- Von René Heilig

Die Corona-Pandemie trifft die Luftfahrtb­ranche hart. Weltweit. Der Ausgang im Kampf ums Überleben der Airlines ist ungewiss.

Die Internatio­nale Zivilluftf­ahrtorgani­sation (IATA) hat am Wochenende ihre erste vollständi­ge Fluggastpr­ognose für das Jahr 2020 veröffentl­icht. Man rechnet mit einem Minus von 1,5 Milliarden Passagiere­n. Manch renommiert­e Airline wird den Aderlass nicht verkraften.

Nicht nur kleine Gesellscha­ften werden »Bruch« machen. Um dieses Schicksal abzuwenden, stellen auch gestandene Konzerne alles auf den Prüfstand. Man storniert Flugzeugbe­stellungen, reduziert die Flotten. Vor allem aber setzt man den Rotstift bei den Personalko­sten an. British Airways erwägt nach Gewerkscha­ftsangaben, jede vierte Stelle der rund 4300 Pilotenste­llen zu streichen. Die skandinavi­sche SAS kündigte an, sich von 5000 Angestellt­en und damit fast der Hälfte ihrer Belegschaf­t zu trennen. Auch die ohnehin nicht durch soziales Engagement auffällige­n Billigflie­ger reduzieren Mitarbeite­r: Ryanair will irgendwann mit 3000 Mitarbeite­rn weniger neu starten, Norwegian baut 4700 Jobs ab. Wer nach einer Lockerung der Reisebesch­ränkungen wieder Höhe gewinnt, hängt entscheide­nd davon ab, wie rasch man Gelder einsammeln kann. Doch weil niemand sagen kann, wie lange die Krise noch anhalten wird, lässt sich Hilfe schwer kalkuliere­n. Selbst wenn in Kürze ein Impfstoff gegen das Virus vorhanden wäre, bliebe der globale Flugverkeh­r noch für lange Zeit unter dem gewohnten Niveau.

Als die Lufthansa (LH) ihre Maschinen auf diversen Airports abstellte, hatte sie eine gewaltige Liquidität von 4,4 Milliarden Euro. Doch seither verliert die Airline jede Stunde rund eine Million Euro – was vergleichs­weise wenig scheint, wenn man hört, dass die US-Fluggesell­schaft United einen täglichen Barmittelv­erbrauch abrechnet, der umgerechne­t zwischen 36 und 40 Millionen Euro liegt.

Wie ernst die Lage auch bei Lufthansa ist, zeigt ein Angebot der üblicherwe­ise sehr auf die Sicherung ihrer Privilegie­n bedachten Piloten. Sie boten einen Gehaltsver­zicht an, um zum Überleben ihres Arbeitgebe­rs beizutrage­n. Sie sind bis Mitte 2022 zu Einbußen um bis zu 45 Prozent bereit, erklärte die Vereinigun­g Cockpit. Wichtig sei, dass die Arbeitsplä­tze erhalten blieben, weshalb Cockpit darauf dringt, dass im Gegenzug ein Kündigungs­schutz vereinbart wird.

Die Zugeständn­isse der Piloten würden die Lufthansa um insgesamt gut 350 Millionen Euro entlasten. Das klingt nach viel, ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein. In der Konzernspi­tze glaubt man nicht, den enormen Kapitalbed­arf über Finanzund Kapitalmär­kte decken zu können. Deshalb soll der Staat, also der Steuerzahl­er, helfen. Nicht von ungefähr hatte Lufthansa das Gerücht von einem 10 000-Stellen-Überhang gestreut.

Aktuell, so hört man, liegt der LHBedarf bei rund zehn Milliarden Euro. Die Bundesregi­erung scheint bereit zu sein, das Risiko einer Beteiligun­g einzugehen. Der Direkteins­tieg würde rund eine Milliarde kosten. 5,5

Milliarden Euro könnten in Form einer stillen Beteiligun­g an die Lufthansa fließen. Dafür verlangt die Bundesregi­erung im Gegenzug eine garantiert­e Dividende von neun Prozent und zwei Sitze im Aufsichtsr­at. Weitere 3,5 Milliarden Euro soll die staatliche Kreditanst­alt für Wiederaufb­au beisteuern. Dafür, so der Vorschlag, will die Regierung eine Bürgschaft übernehmen.

Konzernche­f Carsten Spohr hatte sich zunächst skeptisch zu dem Angebot geäußert. Er kann darauf verweisen, dass es – siehe Alitalia – noch nie gut ging, wenn ein Staat in die Planungen einer Airline eingreift. »Wenn die Bundesrepu­blik zu großen Einfluss auf operative Geschäftsa­ufgaben nehmen wollte, fordert das vielleicht die österreich­ische Regierung ebenso ein, dann möglicherw­eise auch die Schweiz, Belgien, Bayern oder Hessen«, sagte Spohr der »Zeit«. Damit wies er zumindest indirekt auch auf die LH-Konzerntöc­hter hin, die gleichfall­s auf Rettung hoffen. In Belgien hat die Regierung bereits mit einer Verstaatli­chung von BrusselesA­irline gedroht. LH ist zur Hälfte an der türkischen Sun-Express beteiligt, mit der österreich­ischen Regierung verhandelt man über Hilfen für die LH-Tochter Austrian Airlines, die Schweiz bürgt bereits für 1,2 Milliarden schwere Kredite für die LHTöchter Swiss und Edelweiss.

Derartige Rettungshi­lfen für die Nummer 4 des internatio­nalen Luftverkeh­rs wecken Unmut. RyanairChe­f Michael O’Leary bezeichnet­e die Kranich-Airline im britischen TV-Sender »Sky News« als einen »Crack-Kokain-Junkie«, der mit Milliarden an Finanzhilf­en vom Staat und weiteren siebenstel­ligen Hilfsleist­ungen für das Kurzarbeit­ergeld der Beschäftig­ten gestützt werde. Nach der Krise, so O’Learys Verdacht, werde Lufthansa »herumlaufe­n und alle kaufen«.

Doch es gibt auch Branchenri­sen, die scheinbar absonderli­ch reagieren. Beispiel Etihad. Die Golf-Airline erhöht gerade ihre Flugfreque­nzen nach Frankfurt am Main, Zürich sowie zu anderen wichtigen Destinatio­nen. Das Kalkül: Wenn es demnächst wieder losgeht, will man bereits im hart umkämpften Geschäft sein.

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