nd.DerTag

Mitmensche­n? Nein, danke!

- Von Thilo Bock

Wer petzt und hetzt und andere verpfeift, dem wird die Denunziant­enfresse penibel ausgeputzt und eingeseift, desinfizie­rt mit aller Raffinesse.

Da könnte sich ein Virus sonst draufsetze­n und tröpfchenw­eise andrer Leute Rachen mit Missgunst infizieren, sie aufhetzen,

Partikel für Partikel Neid entfachen.

Bloß, weil mal wer den Abstand kurz vergisst.

Bloß, weil mal wer sagt, er fänd’s zu extrem.

Bloß, weil mal wer Intimität vermisst.

Bloß, weil mal einer fröhlich ist trotzdem.

»Was an einsfuffzi­ch ist denn nicht zu verstehn?«

»Das waren niemals nie zwanzig Sekunden!«

»Von wegen Kernfamili­e! Ich zähl zehn!«

»Den See darf jeder einmal nur umrunden.«

Wenn Nachbarn tun, was man gern selber täte, derweil die Liebsten Nerven strapazier­en, verschickt per Blockwarta­pp man das Erspähte, um sich für all den Scheiß zu revanchier­en.

Das ist verständli­ch, ja, und neulich als im Hinterhof so Bauarbeite­r grillten, hab ich gehofft, dass wer mit dickem Hals schon petzt, dass andre hier ganz fröhlich chillten.

Ich selbst? Bewahre, nein! Mir wär’s zu plump.

Das überlass ich andren, denn mir schwirrt im Kopf die Weisheit, dass der größte Lump im Land der Denunziant stets bleiben wird.

Zu recht! Als erster zeigt’ ich mit der Hand auf jenen, der da wagt, wen anzuschwär­zen.

Ein Virus schleicht um uns. Als Intrigant befällt er Lungen erst und dann die Herzen.

Dabei könnt ja der Quarantäne Lehre uns allen, die wir’s überleben, sein: Kommt uns so mancher Mensch auch in die Quere, lebt sich’s doch besser so, als ganz allein.

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