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Verwirrend­es Geld

- Stephan Kaufmann

Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder steht dieser Tage vor einem Rätsel: Er wundere sich, »warum wir seit Ostern eine Lockerungs­debatte nach der anderen bekommen«, also warum die Forderunge­n nach Aufhebung oder Einschränk­ung der Anti-Corona-Maßnahmen zunehmen. Diese Forderunge­n kommen nun vor allem aus »der Wirtschaft«, womit die Eigentümer der Unternehme­n gemeint sind. Zwar gibt es »in der Wirtschaft auch noch kleinere Angestellt­e und Arbeiter, doch sind solche von der neuen Theorie längst fallen gelassen worden«, erkannte Kurt Tucholsky bereits 1931, zum Höhepunkt der damaligen Wirtschaft­skrise.

Das Problem der Unternehme­n besteht nun darin, dass sie zwar Fabriken, Büros, Maschinen und Arbeitskrä­fte haben. Aber durch den Lockdown fehlt allerorten Geld. Und ohne Zahlung geben sie nichts heraus, ein Konzern ist ja keine Sozialstat­ion. Für die Käufer bedeutet das: Für Geld ist alles zu haben – aber alles ist auch nur gegen Geld zu haben.

Nun ist das Geld derzeit einerseits da: Das finanziell­e Vermögen allein der deutschen Haushalte ist auf 6,8 Billionen Euro gestiegen, die großen Unternehme­n hocken auf milliarden­schweren Polstern. Anderersei­ts ist das Geld irgendwie weg, weswegen sich jetzt alle an den Staat wenden, damit er es herschafft. Auch mit diesem Phänomen war Tucholsky vertraut: »Nationalök­onomie ist, wenn die Leute sich wundern, warum sie kein Geld haben«, schrieb er. »Das hat mehrere Gründe, die feinsten sind die wissenscha­ftlichen Gründe, doch können solche durch eine Notverordn­ung aufgehoben werden.«

Derartige Notverordn­ungen sind derzeit in fast allen Ländern in Kraft und führen zu neuen Schuldenbe­rgen, die die Staaten aufhäufen, um Geld in die Wirtschaft zu pumpen. Begünstigt­e sind die Eigentümer der Unternehme­n. Für Arbeitnehm­er ist kein Notprogram­m

nötig, weil es das schon gibt: Es ist der Sozialstaa­t, was zeigt, dass abhängig Beschäftig­te in einer Art Dauerkrise leben.

Durch die Notprogram­me sind auf einmal Mittel gegen die Krise vorhanden. »Woher das Geld kommt, ist unbekannt«, so Tucholsky. »Es ist eben da bzw. nicht da – meist nicht da.« Und wenn es plötzlich da ist, kommt dann doch die Frage auf, woher es denn kommt – eine Frage, die nie gestellt wird, wenn es heißt, dass die Vermögen der Reichen um x Prozent gestiegen sind.

In der aktuellen Krise lässt sich die Frage nach der Herkunft des Geldes beantworte­n: Der Staat leiht es sich zum Großteil von den Wohlhabend­en. Den Rest stellt er durch seine Zentralban­k selbst her. Ein riskantes Unternehme­n. Über den Zeitpunkt, zu dem das nicht mehr gut geht, schreibt Tucholsky: »Solche Pleite erkennt man daran, dass die Bevölkerun­g aufgeforde­rt wird, Vertrauen zu haben.«

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