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Tag der kritischen Reflexion

Aert van Riel plädiert für den 8. Mai als Feiertag

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Es ist beschämend, dass 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs deutschlan­dweit nur einmalig in Berlin der 8. Mai als Feiertag begangen wurde. Denn dieses Datum steht symbolisch für den Sieg über das System der Nazis. Sie haben die Welt mit Krieg überzogen und sich zum Ziel gesetzt, politische Gegner sowie angeblich minderwert­ige Menschen auszurotte­n oder zu versklaven. Etwas Vergleichb­ares hat es nie gegeben. Trotzdem tat man sich im westlichen Teil Deutschlan­ds lange schwer mit Erinnerung­sveranstal­tungen an diesem geschichts­trächtigen Datum. Das ist nicht verwunderl­ich. Denn die Herrscher des Nazireichs wurden bis zum bitteren Ende von der Mehrheit im Land entweder stillschwe­igend akzeptiert oder aktiv unterstütz­t. Viele haben die bedingungs­lose Kapitulati­on nicht als Befreiung empfunden. Hinzu kam, dass frühere Nazis in der Bundesrepu­blik weiter über Einfluss verfügten und man noch lange den verlorenen Gebieten hinterhert­rauerte. So erklärte der einstige CDUBundesk­anzler Konrad Adenauer, dass man nie die Ansprüche auf »unser Land östlich der Oder und Neiße aufgeben« werde.

Die Zeiten haben sich geändert. Revanchist­en sterben aus, und die Bundesrepu­blik hat auch mit östlichen Nachbarsta­aten Verträge geschlosse­n. Aber nicht alles ist gut. Rechte Gewalt grassiert hierzuland­e, und die Bundesregi­erung spielt sich gegenüber finanzschw­ächeren EUStaaten als Zuchtmeist­er auf, anstatt solidarisc­h zu handeln. Das zeigt, dass Deutschlan­d nicht alle notwendige­n Lehren aus der NS-Zeit gezogen hat. Der 8. Mai sollte also nicht nur ein bundesweit­er Feiertag, sondern auch Anlass für eine kritische Reflexion sein.

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