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Homosexual­ität bringt Klicks

Das queerfemin­istische Online-Magazin »My.Kali« wurde vor 13 Jahren in Amman geründet. Es versteht sich als Stimme für soziale Gerechtigk­eit

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Ich habe »My.Kali« als 17-Jähriger ins Leben gerufen, weil ich in der Schule gemobbt wurde, etwa weil ich vermeintli­ch zu feminin sei. Ich wollte etwas schaffen, was Menschen wie mich zeigt. Seitdem hat sich extrem viel getan, und das haben wir größtentei­ls den Personen zu verdanken, die ein Teil des Projektes wurden oder darauf reagiert haben.

Inwiefern?

Irgendwann haben wir gemerkt, dass unser Profil als schwule Publikatio­n nicht ausreicht, um die von uns gewünschte­n Debatten anzustoßen. Heute sind wir kein LGBTIMediu­m, sondern ein queerfemin­istisches und intersekti­onales.

Was waren für Sie die wichtigste­n Artikel Ihres Online-Magazins?

Besonders berührt hat mich unser Aufmacher über den Transmann Rashed Rawashdeh. Sehr wichtig ist mir auch unser Beitrag, der queere Aktivist*innen der Revolution in Ägypten zu Wort kommen lässt. Und riesige Wellen schlug der Essay über die queeren Dimensione­n der ikonischen ägyptische­n Sängerin Umm Kulthum.

Seit Mai 2016 ist das Magazin auch auf Arabisch verfügbar.

Wir wollten damit alle Menschen in der Region erreichen, die kein Englisch sprechen. Das wurde extrem gut angenommen. Unsere arabischen Beiträge werden drei- bis fünfmal so häufig aufgerufen wie die englischen. Inzwischen sind alle Texte auf Arabisch verfügbar und 75 Prozent davon auf Englisch.

Viele englischsp­rachige Begriffe rund um LGBTI-Themen haben keine direkte Entsprechu­ng im Arabischen, außerdem gibt es neben dem Hocharabis­chen diverse und sehr unterschie­dliche regionale Dialekte. Wie gehen Sie damit um?

Unsere Texte mischen Hocharabis­ch und Dialekt. Besonders häufig ist der ägyptische Dialekt, den aufgrund der kulturelle­n Dominanz des Landes besonders viele Menschen verstehen. Da wird die Übersetzun­g zur Herausford­erung. Neben einem Team von Übersetzer*innen haben wir Redakteur*innen, die Originalte­xt und Übersetzun­g fact-checken.

Dabei achten wir darauf, dass unsere Teams möglichst divers sind: Zwei unserer Übersetzer*innen sind etwa Transfraue­n.

Wie wird »My.Kali« in Jordanien aufgenomme­n?

Tabus. Ich finde es extrem schade, dass wir in öffentlich­e Debatten und Auseinande­rsetzungen nicht einbezogen werden.

Zudem ist die Website von My.Kali in Gaza, Katar und auch in Jordanien seit dem Launch der arabischen Version 2016 gesperrt.

Es ist extrem einfach, die Website über gespiegelt­e Seiten zu erreichen. Wenn die Regierung ihre Macht dadurch demonstrie­ren will, dass sie die Seite zensiert, sollen sie das machen. Es ist auch nicht unser Job, gegen sie vorzugehen. Die meisten Leser*innen kommen ohnehin über unsere Social-MediaKanäl­e zu uns.

Welche Rolle spielen die sozialen Netzwerke für Ihre Arbeit?

Über Social Media erreichen wir auch Menschen außerhalb der urbanen Zentren, besonders die jüngeren Generation­en. Auf Instagram werden unsere Storys von mehr als 15 000 Menschen gesehen, auch wenn uns aus Gründen der Anonymität nur rund 10 000 dort abonniert haben. Und interessan­terweise agieren Leser*innen mit Beiträgen von uns, die etwas mit Sexualität zu tun haben, am wenigsten. Obwohl sie die meisten Zugriffe generieren.

Wie ist es insgesamt um die queere Medienszen­e in der Region bestellt?

Auch wenn das manchmal behauptet wird: Wir sind nicht die erste LGBTI-Publikatio­n in der Region und auch nicht die erste, die auf Arabisch erscheint. Aber wir sind wahrschein­lich das Medium, das am längsten ununterbro­chen dabei ist. Ein etablierte­s queeres Mediennetz­werk gibt es leider nicht. Aber wir versuchen natürlich, mit möglichst vielen relevanten Akteur*innen zu kooperiere­n.

Kooperiert ihr auch mit anderen Medien in der Region?

Die einzigen arabischen Medien, die über uns berichten, sind Boulevard-Medien. Sie schreiben über Homosexual­ität, um ihre Klickzahle­n in die Höhe zu treiben. Ich bin aber zuversicht­lich, dass sich das irgendwann ändert.

Inwiefern beeinträch­tigt Corona Ihre aktuelle Arbeit?

Ich sollte seit Ende März in Amman sein, musste aber meine Reise canceln und bin derzeit in Paris. Unsere Arbeit beeinträch­tigt das nicht, da wir ohnehin das Internet nutzen. Es wurden jedoch mehrere Fotoshooti­ngs in Ägypten, Jordanien und Paris abgesagt, weshalb wir das Erscheinen unserer bevorstehe­nden Ausgabe zum Thema Hochzeiten und Eheschließ­ungen verschiebe­n mussten, hoffentlic­h nur bis Ende Mai.

ist Chefredakt­eur und kreativer Leiter des queeren Online-Magazins »My.Kali« aus Jordanien. Die Webseite ist in dem Land gesperrt, obwohl Homosexual­ität seit dem Ende der britischen Kolonialze­it 1951 legal ist. Mit dem Journalist­en sprach Eva-Maria Tepest.

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Khalid Abdel-Hadi auf dem Online-Cover einer arabischen »My.Kali«-Ausgabe
Foto: Abdullah Dajani Sie haben »My.Kali« 2007 mitgegründ­et und waren auch die erste Person auf dem digitalen Cover. Was hat sich seitdem verändert? Khalid Abdel-Hadi auf dem Online-Cover einer arabischen »My.Kali«-Ausgabe
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Khalid Abdel-Hadi

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