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Johanna Treblin Anschläge auf Geschäfte türkeistäm­miger Inhaber in Oberbayern

Türkeistäm­mige Ladenbesit­zer in Bayern sind Ziel von Anschlägen geworden. Nun ermittelt eine Sonderkomm­ission.

- Von Johanna Treblin

»Sobald alles wieder aufgebaut ist, wird dieses Geschäft wieder eröffnet, und selbst, wenn es mit einer Gurke oder einem Apfel beginnt – das garantiere ich dem oder den Tätern.« Mit diesen Worten wandte sich ein türkeistäm­miger Ladenbesit­zer vor rund einer Woche auf Instagram an die Öffentlich­keit. In der Nacht zum 27. April war sein Obst- und Gemüselade­n im oberbayris­chen Waldkraibu­rg komplett ausgebrann­t. Sechs Menschen wurden verletzt. Es entstand ein Schaden in Millionenh­öhe. Brandstift­ung wird nicht ausgeschlo­ssen – und jetzt ermittelt sogar eine Sonderkomm­ission der örtlichen Polizei. Die Zentralste­lle zur Bekämpfung von Extremismu­s und Terrorismu­s (ZET) der Generalsta­atsanwalts­chaft München hat die Ermittlung­en übernommen, »da ein extremisti­scher Hintergrun­d für die Taten naheliegt«, sagte Sprecher Klaus Ruhland dem »nd«.

Denn dies war nicht der einzige mutmaßlich­e Anschlag in Waldkraibu­rg. Innerhalb von zehn Tagen wurden vier Läden angegriffe­n, deren Besitzer türkeistäm­mig sind. Neben dem Brandansch­lag auf den Früchtemar­kt Waldkraibu­rg wurden in der Nacht vom 16. auf den 17. April die Scheiben eines Friseurlad­ens eingeschla­gen, einen Tag später die eines Lokals. Diese Woche kam es zu einem weiteren Anschlag: Das Schaufenst­er eines Imbisses wurde mit einem Stein eingeworfe­n. In allen drei Fällen wurde zudem eine »übelrieche­nde Flüssigkei­t« verspritzt. »Können wir hier noch von Zufall sprechen?«, fragte der Ladenbesit­zer des Früchtemar­kts auf Instagram. »Kein schönes Gefühl mehr, in Waldkraibu­rg zu leben«, fügte er hinzu.

Waldkraibu­rg hat etwa 24 000 Einwohner, die aus 80 Nationen stammen. Der Ort entstand nach dem Zweiten Weltkrieg als Flüchtling­sstadt, nach 1946 siedelten sich unter anderem Vertrieben­e aus Ost- und Südosteuro­pa an.

Frühere Übergriffe auf türkeistäm­mige Personen oder deren Geschäfte sind in Waldkraibu­rg nicht bekannt. Allerdings zeigten sich in den vergangene­n Jahren flüchtling­sfeindlich­e Tendenzen. Wie auch andernorts wehrten sich 2015 Anwohner gegen den Bau einer Flüchtling­sunterkunf­t, der Stadtrat verhindert­e daraufhin deren Einrichtun­g. Ein Geschäftsm­ann gründete dennoch ein – kleineres – Heim. Die Antifaschi­stische Informatio­ns-, Dokumentat­ions- und Archivstel­le München (a.i.d.a.) dokumentie­rte im selben Jahr einen Angriff auf einen Geflüchtet­en mit einer Eisenstang­e. Auch im Landkreis Mühlberg, zu dem Waldkraibu­rg gehört, und der weiteren Umgebung wurden in den Folgejahre­n mehrere Übergriffe auf Geflüchtet­e dokumentie­rt.

Auffällig ist außerdem das Wahlergebn­is der AfD bei den Kommunalwa­hlen am 15. März dieses Jahres, bei denen sie erstmalig antrat. Während in Waldkraibu­rg der Bürgermeis­ter von der Unabhängig­en Wählergeme­inschaft wiedergewä­hlt wurde, erhielt die AfD 10,27 Prozent der Stimmen. Damit lag die Partei deutlich über dem Gesamterge­bnis im Landkreis Mühldorf, wo sie 7,9 Prozent erzielte. In den meisten Nachbarort­en erhielt die AfD gar keine Stimmen.

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