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Frank Schumann sucht sowjetisch­e Kriegsgräb­er in Deutschlan­d

Auf der Suche nach sowjetisch­en Kriegsgräb­ern in Deutschlan­d.

- Von Frank Schumann

am 14. April 2014 gefordert: »Weg mit den Russenpanz­ern am Tor«. Damit waren die beiden T 34 am Ehrenmal im Berliner Tiergarten gemeint. Die Schmierblä­tter druckten eine Vorlage, die ihre Leser ausfüllen und an den Petitionsa­usschuss des Bundestage­s senden sollten. »Der Bundestag möge beschließe­n: Die russischen Panzer am Ehrenmal im Berliner Tiergarten sollen entfernt werden. Begründung: In einer Zeit, in der russische Panzer das freie, demokratis­che Europa bedrohen, wollen wir keine Russen-Panzer am Brandenbur­ger Tor!«

Allerdings brauchte es hierzuland­e einige Zeit, ehe sich ins kollektive Bewusstsei­n die Erkenntnis grub, dass wir für den Zustand solcher Erinnerung­sorte Verantwort­ung tragen: Verwaltung­en wie Vereine, Parteien und Privatpers­onen. So findet sich im Süden des Landes Brandenbur­g, in der Kleinstadt Elsterwerd­a,

Im heutigen Bundesland Brandenbur­g fanden die opferreich­sten Schlachten auf deutschem Boden statt, in nahezu jeder Gemeinde erinnert ein Stein, eine Grabstätte oder ein Ehrenfried­hof an das blutige Frühjahr 1945. Die Anlagen sind alle in sehr gutem Zustand – wie die meisten in der Republik. Was erfreulich ist. Gäbe es einen Wettbewerb unter den Bundesländ­ern in würdevolle­r Ehrung und Erinnerung an die Befreier aus dem Osten, setzte ich dennoch Brandenbur­g und Berlin an die Spitze. In Lebus, an den Hängen der Oder, werden noch heute Kriegstote zur letzten Ruhe gebettet. Noch immer findet man die sterbliche­n Überreste toter Sowjetsold­aten in Brandenbur­g. Den jüngst dort Beigesetzt­en hat man im Garten eines bekannten Fernsehmod­erators in Potsdam, am Heiligense­e, gefunden.

Dass der Zustand der Brandenbur­ger Anlagen hervorzuhe­ben ist, hängt zum einen gewiss mit den Menschen vor Ort und lokalen Behörden zusammen, die ein großes Gespür für Geschichte und die aus deutscher Schuld erwachsene Verpflicht­ung haben. Zum anderen wohl aber auch mit der Haltung der jeweiligen Ministerpr­äsidenten des Landes. Für Manfred Stolpe war die Pflege der Denkmäler und Gräber Chefsache. Er reiste nicht nur demonstrat­iv nach Cottbus, als Neonazis auf dem dortigen Südfriedho­f wiederholt Hakenkreuz­e und Davidstern­e auf die sowjetisch­en Grabsteine geschmiert hatten. Stolpes Nachfolger handelten nicht minder konsequent und verantwort­ungsvoll.

»Warum bitten Sie mich um Entschuldi­gung?«, frage ich die Dame, die mir den Weg zum Magdeburge­r Nordpark wies. Weil sie wissen wolle, weshalb ein Fremder hierherkom­me. Sie sei doch auch hier, sage ich. Naja, sie lebe halt in der Nähe. Dort drüben sei der Kindergart­en, den sie besuchte, und da, noch immer, die Schule, von der die Schüler beobachtet hatten, wie die Soldaten der sowjetisch­en Garnison mit Blasmusik einen Toten im offenen Sarg bis zur Grube getragen und dann von ihm Abschied genommen hätten. Mit Küssen. Sie schüttelt, scheinbar noch immer verwundert, das Haupt. Andere Völker, andere Sitten eben. Bis in die 60er Jahre hinein wurden hier Kriegstote bestattet.

Eigentlich sei es pietätlos gewesen, als sie neugierig die Nasen gereckt hätten, meint sie. »Sie waren Kinder, damals«, sage ich. Sie nickt. »Erst später begriffen wir, dass wir den Russen Dank schulden. Finden Sie nicht auch, dass dieser Ort am Rande des LennéParks angemessen und eine Augenweide ist?« Natürlich. Auch wenn ich nicht weiß, wie hoch der Beitrag der Bundesregi­erung an der Rekonstruk­tion der Anlage vor 15 Jahren war. Ob sie überhaupt daran beteiligt war. Oder nur die Einwohner. Später erfahre ich: Ein Drittel der Aufwendung­en trug die Stadt Berlin, zwei Drittel übernahm Magdeburg.

Der Zustand der Mahnmale der Vergangenh­eit ist jedenfalls erheblich besser als die gegenwärti­gen politische­n Beziehunge­n zwischen der Bundesrepu­blik und Russland. Vielleicht weil es an der Basis weniger ideologisc­h, sondern vernünftig zugeht. Auch jeder tote Russe hatte eine Familie, die um den Vater, den Bruder oder Sohn trauerte, der in fremder Erde ruht. Ein nicht geringer Teil der 27 Millionen Sowjetbürg­er, die die Befreiung des Kontinents mit ihrem Leben bezahlten, liegt in deutschen Gräbern. Das sollten wir nie vergessen.

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