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Waldbrände und Feuerwolke­n

Unterschät­zte Rückwirkun­gen auf das Weltklima.

- Von Michael Lenz

Michael Lenz Wie sich Waldbrände und Feuerwolke­n auf das Weltklima auswirken

War da was? Noch vor ein paar Wochen brannten weite Teile Australien­s lichterloh. Jetzt aber ist die ganze Welt im Griff des Coronaviru­s. Vergessen sind die 84 000 Quadratkil­ometer – in etwa die Fläche von Niedersach­sen, Sachsen und Thüringen zusammen – verbrannte australisc­he Erde, die 6000 in Flammen aufgegange­nen Gebäude, die 36 Menschen und 1,5 Milliarden Tiere, die in den Flammen ihr Leben verloren haben.

Covid-19 hat eine langfristi­g weitaus größere Bedrohung der Menschheit für den Augenblick aus den Schlagzeil­en verdrängt: den Klimawande­l. Was dieser bewirken kann, dafür waren die Waldbrände down under ein flammendes Fanal, obwohl nicht allein der Klimawande­l Ursache der Waldbrände war.

Wissenscha­ftler der internatio­nalen Klimainiti­ative World Weather Attributio­n (WWA) verglichen in ihrer Anfang des Jahres veröffentl­ichten Analyse »Attributio­n of the Australian bushfire risk to anthropoge­nic climate change« die heutigen Bedingunge­n mit mehr als einem Grad Celsius globaler Erwärmung mit dem Klima um 1900. »Unsere Klimamodel­le, für die der FWI (Fire Weather Index – Brandwette­rindex) berechnet werden konnte, zeigen, dass die Wahrschein­lichkeit eines so hohen Brandwette­rindex seit 1900 infolge des anthropoge­nen Klimawande­ls um mindestens 30 Prozent gestiegen ist«, hieß es in der Studie. Hitzewelle­n, so die Forscher, wie die im vergangene­n australisc­hen Sommer seien heutzutage zudem zwischen einem und zwei Grad heißer als 1900. Der zuerst von Kanada und Frankreich entwickelt­e FWI wurde von WWA-Experten für die Anwendung auf Australien angepasst.

Schon während der Buschfeuer führten die Australier Diskussion­en darüber, wie es zu einem solchen Inferno kommen konnte. Allen voran wies Australien­s konservati­ver Regierungs­chef Scott Morrison jeglichen Zusammenha­ng zwischen Feuer und Klimawande­l energisch zurück. Australien­s konservati­ve politische Elite sowie die tonangeben­den Murdoch-Medien sind als Leugner des menschenge­machten Klimawande­ls die Sturmtrupp­en der Bergbauind­ustrie, die durch eine echte Klimapolit­ik viel zu verlieren hätte. »Unsere Bodenschät­zeindustri­e ist unglaublic­h wichtig für Australien«, tönte Premiermin­ister Morrison und unterschlu­g dabei, dass der Bergbau lediglich für zwei Prozent der australisc­hen Arbeitsplä­tze gut ist. Durch sein Festhalten an Kohlekraft­werken zur Stromerzeu­gung ist Australien pro Kopf einer der größten CO2-Emittenten der Welt. Zudem ist Australien einer der größten Kohleexpor­teure mit China und Indien als den beiden wichtigste­n Märkten.

Es ist wissenscha­ftlicher Konsens, dass sich durch das Verbrennen fossiler Stoffe die Welt erhitzt und das Klima verändert. Wenn die globalen Temperatur­en um zwei Grad Celsius steigen würden, so die Forscher des WWA, würden Feuerwette­rbedingung­en wie im (australisc­hen) Sommer 2019/2020 »aufgrund des vom Menschen verursacht­en Klimawande­ls mindestens viermal häufiger auftreten«.

Jenseits des menschenge­machten Klimawande­ls machen die Wissenscha­ftler für die besondere Schwere der Waldbrände 2019/2020 als zusätzlich­e Faktoren eine »Rekordabwe­ichung« bei zwei regional bedeutsame­n Klimaphäno­menen verantwort­lich: beim Indischer-Ozean-Dipol und der Antarktisc­hen Oszillatio­n. »Zusammen erklären diese mehr als die Hälfte der Dürre (in Australien) im zweiten Halbjahr 2019«, hieß es in der Studie.

Als Indischer-Ozean-Dipol (IOD) wird eine natürlich vorkommend­e Anomalie der Meeresober­flächentem­peratur

in bestimmten Regionen des Indischen Ozeans bezeichnet. Wird das Meer dort kühler, fällt in Australien weniger Regen, was wiederum zu Dürren führt. Die Antarktisc­hen Oszillatio­n betrifft starke westliche Winde, die ziemlich konstant zwischen den mittleren und hohen Breitengra­den der südlichen Hemisphäre wehen und dem südlichen Australien Regen bringen. Bei Anomalien bleibt der aus.

Zu den Bränden beigetrage­n haben zusätzlich auch die sogenannte­n Pyrocumulo­nimbus. Diese kurz PyroCb genannten Feuerwolke­n erzeugen ihr eigenes Wetter in Form von Stürmen und Gewitter. So fachen sie Feuer weiter an oder können neue Brände entstehen lassen. In Gippsland im Bundesstaa­t Victoria stieg so eine Feuerwolke sechzehn Kilometer hoch in die Atmosphäre auf. »Diese durch Feuer verursacht­en Stürme können Brände durch Blitzschla­g, Glutschlag und die Erzeugung schwerer Windabflüs­se verbreiten », twitterte das australisc­he Büro für Meteorolog­ie Ende Dezember 2019.

Die Feuerwolke­n können so mächtig sein, dass sie einen Tornado erzeugen, wie es bei den Waldbrände­n in Canberra 2003 der Fall war. Wissenscha­ftler befürchten, dass infolge steigender Temperatur­en und intensiver­er Brände PyroCbs weltweit auf dem Vormarsch sind, berichtete das Online-Wissenscha­ftsmagazin »Yale Environmen­t 360« (e360.yale.edu/features/ fire-induced-storms-a-new-danger-from-the-rise-in-wildfires). Mike Fromm, Meteorolog­e am U.S. Naval Research Laboratory, schreibt dort, ein einzelner PyroCb habe zwar »möglicherw­eise nicht die Wetter- und Klimaverän­derungskap­azität eines signifikan­ten Vulkanausb­ruchs, aber es können pro Jahr mehrere PyroCbs-Cluster auftreten«. Und diese können dann Wetter und Klima beeinfluss­en.

 ?? Foto: wikipedia/Eric Neitze, CC BY-SA ?? Pyrocumulo­nimbus nennt man Feuerwolke­n, die bis in die Stratosphä­re aufsteigen.
Foto: wikipedia/Eric Neitze, CC BY-SA Pyrocumulo­nimbus nennt man Feuerwolke­n, die bis in die Stratosphä­re aufsteigen.

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