nd.DerTag

Fairer Handel trotzt Coronakris­e

Umsatz der Branche zuletzt weiter gewachsen / Besonders hoher Marktantei­l bei Bananen

- Von Hermannus Pfeiffer

Anlässlich des Weltladent­ages wurde wieder für mehr fairen Handel geworben. Auch der Ruf nach einem Lieferkett­engesetz in Deutschlan­d wird lauter. Gerade in der Coronakris­e sei dies wichtig. »Wir blicken auf das beste Jahr in unserer Geschichte zurück«, freut sich der Vorstandsv­orsitzende von Transfair e.V., Dieter Overath. Die deutsche Fairhandel­sorganisat­ion vermeldete gerade, dass der Umsatz erstmals die Zwei-Milliarden-EuroMarke übersprung­en habe. Auch Corona änderte daran bislang nichts. Es habe »keine Absatzeinb­ußen« gegeben, versichert­e Overath in einer virtuellen Pressekonf­erenz. Allerdings ist es in einigen Ländern im globalen Süden ungewiss, ob Kaffee und Kakao in vollem Umfange geerntet werden könnten. Auch der Transport nach Europa gestalte sich aktuell schwierig, erklärte Overath, der zufrieden wäre, wenn 2020 mit einer »schwarzen Null« enden würde.

Seit fünf Jahrzehnte­n gibt es fairen Handel in Deutschlan­d. Wurden die Produkte früher ausschließ­lich in kleinen, von kirchliche­n Gruppen oder politische­n Initiative­n betriebene­n Weltläden verkauft, dominieren nun längst die großen Supermarkt­ketten. Seit Langem wächst der Umsatz zweistelli­g. Am Sonnabend feierte die Bürgerbewe­gung den »Internatio­nalen Tag des Fairen Handels«. Hunderte Weltläden nutzten den Aktionstag, um für sich und ein Lieferkett­engesetz zu werben.

Ende März war dagegen die diesjährig­e Internatio­nale Fairtrade-Konferenz wegen der Corona-Pandemie ausgefalle­n. Sie sollte in Berlin stattfinde­n. Dabei standen drängende Themen auf der Agenda: die Zukunft des globalen Handels, Gendergere­chtigkeit und Kinderarbe­it, Klimaschut­z sowie faire Lieferkett­en. Johanna Kusch, Koordinato­rin der Initiative Lieferkett­engesetz, nutzte daher die Fairtrade-Pressekonf­erenz, um für ihr Anliegen zu werben: »Wir brauchen ein Lieferkett­engesetz nicht trotz, sondern wegen der Coronakris­e.«

Viele Firmen in Deutschlan­d laden ihre Probleme bei den Schwächste­n ab. In Indien müssen Textilfabr­iken wegen stornierte­r Aufträge schließen, in der kenianisch­en Blumenprod­uktion werden Beschäftig­te entlassen. Auch stellen deutsche Firmen Lieferunge­n in den globalen Süden ein. Dort seien die Corona-Folgen für die Menschen »dramatisch«, betont Kusch. Fairtrade richtet als Reaktion auf die Pandemie zwei Unterstütz­ungsfonds für die Produzente­n ein: Einen Hilfsfonds für akute Sofortmaßn­ahmen sowie einen Resilienzf­onds zur mittel- und langfristi­gen Unterstütz­ung. Beide zusammen starten mit einem Grundkapit­al von rund 3,1 Millionen Euro – eine Million steuerte TransFair e.V. (Fairtrade Deutschlan­d) bei.

Ein Lieferkett­engesetz soll zudem deutsche Unternehme­n verpflicht­en, gemäß den UN-Leitprinzi­pien für Wirtschaft und Menschenre­chte in ihrer gesamten Wertschöpf­ungskette vom Rohstoffab­bau bis zur Entsorgung »Sorgfalt« walten zu lassen. Vorstände müssten dann die Risiken analysiere­n, beispielsw­eise wie eine Preisänder­ung auf Kinderarbe­it wirkt, und entspreche­nd handeln. »Freiwillig werden das nie alle Unternehme­n tun«, begründet Kusch die Notwendigk­eit eines Gesetzes. Bei Nichteinha­ltung müssten Sanktionen drohen.

Über ein Lieferkett­engesetz wird in der Bundesregi­erung schon lange beraten. Entwicklun­gsminister Gerd Müller (CSU), der ohnehin eine Neuausrich­tung der Entwicklun­gshilfe plant, und Arbeitsmin­ister Hubertus Heil (SPD) wollen den Koalitions­vertrag umsetzen. Der sieht eine gesetzlich­e Regelung für den Fall vor, dass zu wenige Unternehme­n freiwillig mitspielen. Genau das scheint der Fall zu sein; schlimmer noch, die allermeist­en Im- und Exportfirm­en verfügen nicht einmal über eine eigenständ­ige Risikoanal­yse. Ein von der Regierung in Auftrag gegebener Bericht liegt unter Verschluss. Die Gesetzespl­äne wurden noch vor Corona auf Eis gelegt. Im Juli/August dürfte ein Gesetzentw­urf nun endlich vorliegen, wie aus Berlin verlautet. Allerdings dürfte um das »Wie« noch heftig gestritten werden. Aus dem CDU-geführten Wirtschaft­sministeri­um kommt ebenso Widerstand wie von Unternehme­nsverbände­n.

Transfair unterstütz­t die Initiative für ein Lieferkett­engesetz. Auch die meisten Mitgliedsf­irmen tun dies, versichert Aufsichtsr­at Thilo Hoppe. Der Ex-Grünen-Bundestags­abgeordnet­e arbeitet als entwicklun­gspolitisc­her Beauftragt­er bei der Hilfsorgan­isation Brot für die Welt.

Einen Großteil ihres Umsatzes macht die 1992 gegründete Initiative, die auch das »Fairtrade«-Siegel vergibt, mit herkömmlic­hen Firmen wie Lidl, Ritter-Sport oder Tchibo. Besonders hoch ist der Marktantei­l im deutschen Einzelhand­el bei Bananen. Jede fünfte stammt aus dem fairen Handel. Rund eine Milliarde Stück gingen 2019 über die Ladentisch­e. Dazu trug besonders die in der Fairtrade-Szene umstritten­e Kooperatio­n mit dem Discounter Lidl bei. »Die Fokussieru­ng darauf, Eine-WeltLäden zu verlassen und in Supermärkt­e zu gehen, war absolut notwendig«, verteidigt Hoppe die Strategie und spricht von einem »Quantenspr­ung«. Dadurch sei es möglich geworden, immer mehr Kleinbäuer­innen und Kleinbauer­n zu unterstütz­en.

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Foto: dpa/Wolfgang Krumm Fairtrade-Bananen im Supermarkt – das löst nicht nur Begeisteru­ng aus.

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