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Unabhängig­er Journalism­us in Gefahr

Die Werbeeinna­hmen brechen weg – in Brandenbur­g will die Politik nun mit Zuschüssen helfen

- Von Andreas Fritsche

Das Interesse an seriösen Informatio­nen von unabhängig­en Journalist­en stieg in der Coronakris­e. Doch die Verlage stecken in finanziell­en Schwierigk­eiten. Ein lokaler TVSender wurde bereits abgeschalt­et.

Auf den ersten, flüchtigen Blick gehören Tageszeitu­ngen zu den Gewinnern der Corona-Pandemie. Es besteht in der Bevölkerun­g ein großer Informatio­nsbedarf. Die Zahl der Zugriffe auf die ins Internet gestellten Zeitungsin­halte schnellt in die Höhe und Bürger schließen ein Abonnement ab – nicht zuletzt, weil sie den Weg in den Zeitungski­osk scheuen. Auf den zweiten Blick wird sichtbar, dass Tageszeitu­ngen in der Coronakris­e Verlierer sind. Werbeeinna­hmen brechen weg. Denn es ergibt keinen Sinn, Anzeigen für Auslandsre­isen zu schalten, wenn diese im Moment sowieso nicht möglich sind, um nur ein Beispiel zu nennen.

Darum schickten Verlage Redakteure in Kurzarbeit, obwohl die Politik den Journalism­us als systemrele­vant einstufte. Die Branche steckte schon vor der Coronakris­e in Schwierigk­eiten. Nun steht sie vor Pleiten und Medienkonz­entration. Für die Medienviel­falt ist dies fatal.

Auch Hörfunk und Fernsehen sind betroffen. Der Lokalsende­r ODF – das Ostbranden­burgische Digitalfer­nsehen – war via Kabel von 118 000 Zuschauern in den Landkreise­n Barnim und Oder-Spree zu empfangen und musste den Sendebetri­eb kürzlich einstellen. Der Landtagsab­geordnete

Andreas Büttner (Linke) befürchtet, dass dies kein Einzelfall bleibt, wenn die Politik nicht schnell hilft. »Es gibt flächendec­kend ein Problem in der Finanzieru­ng«, sagt er. »Es droht eine medienpoli­tische Teilhabewü­ste.« Der Umsatz der lokalen TV-Sender in Brandenbur­g sei im zweiten Quartal 2020 um 60 Prozent gesunken, was einen Verlust von 625 000 Euro bedeute. Bei den Privatradi­os seien es 65 Prozent beziehungs­weise 2,4 Millionen Euro.

Die Linksfrakt­ion darf für die Landtagssi­tzung an diesem Donnerstag das Thema der Aktuellen Stunde bestimmen und will unter der Überschrif­t »Lokaljourn­alismus jetzt stärken« debattiere­n. Die lokalen TVund Radiosende­r sollen sowieso gefördert werden. Das hat der Landtag bereits im vergangene­n Jahr beschlosse­n. Geld dafür ist aber zunächst erst für den Haushalt 2021 eingeplant gewesen.

Der Abgeordnet­e Büttner fordert Zuschüsse in Höhe von 750 000 Euro für Radio und Fernsehen. Den Printmedie­n möchte er auch unter die Arme greifen – möglichst mit einem Zuschuss für die Zustellung der Zeitungen, inbegriffe­n die Kosten der Verbreitun­g des sogenannte­n E-Papers (online zu lesende Zeitung). Eine genaue Summe kann er da noch nicht nennen, rechnet aber mit einer Größenordn­ung von weiteren 750 000 Euro. »Kurzfristi­g müssen wir helfen«, weiß Büttner. »Dauerhaft zu helfen wäre wünschensw­ert«, formuliert er mit Blick darauf, dass sich viele Brandenbur­ger eine Tageszeitu­ng heute schon nicht mehr leisten können. Büttners begründete Befürchtun­g ist, dass die Leser sich ihre Meinung nicht mehr aufgrund von seriös recherchie­rten Nachrichte­n bilden, sondern sich gratis im Internet informiere­n. Dort werden bekanntlic­h unkritisch krude Verschwöru­ngstheorie­n und rechte Hetze verbreitet.

»Wir sehen, dass die Medien tatsächlic­h auch durch Corona in einer großen Krise sind«, bestätigt GrünenFrak­tionschefi­n Petra Budke. »Unbedingt« müsse es Unterstütz­ung geben, sagt sie.

Die soll es auch geben. SPD-Fraktionsc­hef Erik Stohn spricht von 600 000 Euro für Hörfunk und Fernsehen. Was die Zeitungen betreffe, »suchen wir den Schultersc­hluss mit dem Bund«, erklärt er. Der Bundestag hatte im Ende 2019 beschlosse­n, 40 Millionen Euro für die Zeitungszu­stellung aufzuwende­n.

»Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen in der Lage sind, sich zu informiere­n«, findet CDU-Fraktionsc­hef Jan Redmann. Bestimmte ländliche Regionen könnten vom »Nachrichte­nstrom« abgeschnit­ten werden, wenn sich die Zustellung von Zeitungen dorthin nicht mehr rechnet.

Die vorgesehen­en Zuschüsse würden wahrschein­lich den Regionalze­itungen helfen. Ein überregion­ales Blatt wie das »nd« hätte wohl nichts davon. Von den wegbrechen­den Werbeeinna­hmen ist das »nd« fast nicht betroffen. Denn 95 Prozent seiner Erlöse stammen aus dem Abonnement und es erhält auch zu anderen Zeiten nur selten größere gewerblich­e Anzeigen.

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Foto: imago images Nachts, wenn die Leser schlafen, kommt die Zeitungszu­stellerin.

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