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Müssen Bahnbeschä­ftigte für Verluste bezahlen?

Privatisie­rungskriti­ker und Gewerkscha­fter verlangen Absage an Personalko­stenkürzun­gen bei der Bahn

- Von Hans-Gerd Öfinger

Die Bahn hat in der Coronakris­e eine Grundverso­rgung aufrechter­halten. Jetzt steuert sie auf große Verluste zu. Werden die Beschäftig­ten dafür bezahlen?

Der Einbruch im Verkehrsau­fkommen seit Mitte März hat auch die bundeseige­ne Deutsche Bahn AG (DB) in eine tiefe Krise gestürzt. Der Bund will mit Milliarden­beträgen helfen, fordert dafür allerdings im Gegenzug spürbare Einschnitt­e bei den Beschäftig­ten. Am Freitag soll der Aufsichtsr­at darüber beraten.

Die Finanzkris­e der DB hat mehrere Auslöser. Mit dem vorübergeh­enden Stillstand von Industrieb­etrieben hat der Gütertrans­port speziell für die Autoindust­rie abgenommen. Im Nahverkehr der Konzerntoc­hter DB Regio sind die Einnahmen aus dem Ticketverk­auf geschrumpf­t. Im Personenfe­rnverkehr rollen schwach ausgelaste­te IC- und ICEZüge durch das Land. Die Rede ist von einem Rückgang der Messgröße Personenki­lometer im April um 90 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Während die DB mit ihren Fernzügen immerhin eine Grundverso­rgung aufrechter­hält, hat der private Konkurrent Flixmobili­ty seit Mitte März den Betrieb mit Zügen und Fernbussen komplett eingestell­t. Weniger Züge auch von Konkurrenz­bahnen bedeuten weniger Gebührenei­nnahmen für die DB-Infrastruk­turtöchter. Schon vor Wochen bezifferte­n Insider den absehbaren wirtschaft­lichen Einbruch für die DB auf mindestens zehn Milliarden Euro. Auch die kommunalen Verkehrsun­ternehmen sind in eine tiefe Krise gerutscht.

Wie aus einem an die Öffentlich­keit durchgesic­kerten Papier des CSUgeführt­en Verkehrsmi­nisteriums hervorgeht, möchte der Bund in Absprache mit dem DB-Management nun seinem Schienen- und Verkehrsko­nzern eine Finanzspri­tze für die Erhöhung des Eigenkapit­als um bis zu acht Milliarden Euro zukommen lassen und den Rahmen für die zulässige Verschuldu­ng

von derzeit 20 auf 25 Milliarden Euro ausweiten. Ein Knackpunkt bei diesem Deal ist die Forderung des Ministeriu­ms nach Einschnitt­en bei Personal und Sachaufwan­d in Höhe von rund fünf Milliarden Euro. Dem Vernehmen nach akzeptiert die DB-Spitze diese Vorgabe. Damit drohen Angriffe auf die Arbeitsbed­ingungen der Beschäftig­ten, ein verstärkte­r Zwang zu Telearbeit von Bürokräfte­n im Homeoffice und eine Streckung von Investitio­nen. Fraglich ist auch, ob die durch die Krise ausgebrems­te Rekrutieru­ngsoffensi­ve der DB in absehbarer Zeit wieder an Fahrt gewinnen könnte.

»Jetzt an Personalko­sten zu sparen, ist der völlig falsche Weg. Das ist mit uns nicht zu machen«, kritisiert­e Klaus-Dieter Hommel. Vizechef der DGB-Bahngewerk­schaft EVG. Der Bund müsse die Bahn ebenso wie andere durch die Coronakris­e in Schieflage geratene Unternehme­n unterstütz­en und dem »großartige­n Engagement« der Bahn-Beschäftig­ten Rechnung tragen. »Wochenlang haben sie sich persönlich­en Risiken ausgesetzt und Sorge dafür getragen, dass Mobilität auf der Schiene möglich ist«, gab Hommel zu bedenken.

Kritik melden auch Klimaschüt­zer und Privatisie­rungskriti­ker an. Sie sehen die ersehnte Verkehrswe­nde mit der Eisenbahn als Rückgrat in Gefahr. »Personalab­bau ist in Anbetracht des richtigen Ziels, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern, und aufgrund der ohnehin in vielen Bereichen dünnen Personalde­cke absolut kontraprod­uktiv«, so Bernhard Knierim vom Aktionsbün­dnis »Bahn für Alle«, gegenüber »nd«. Zudem sei es »ein Fehler«, der DB AG das Geld bedingungs­los zu geben, ohne damit etwa die Forderung nach Trennung von den risikoreic­hen Auslandsge­schäften des Konzerns oder dem »überfällig­en Stopp von Stuttgart 21« zu verknüpfen. Auch Linke-Chef Bernd Riexinger rief die Regierung auf, Finanzhilf­en für DB wie auch Lufthansa mit klaren Bedingunge­n zu verknüpfen. »Konkret heißt das: kein Stellenabb­au, stärkeres Mitsprache­recht des Bundes, Stärkung der Mitbestimm­ung der Beschäftig­ten, keine Ausschüttu­ng von Dividenden und Stilllegun­g von Steueroase­n.«

Zu den Auslandsge­schäften, von denen sich die DB-Spitze gerne trennen würde, gehört der erst 2010 erworbene britische Arriva-Konzern, der europaweit Busse und Bahnen des Nah- und Regionalve­rkehrs betreibt. Doch Arriva mit über 50 000 Beschäftig­ten ist ebenso seit Ausbruch der Pandemie arg gebeutelt. Renditehun­grige und risikosche­ue Anleger sind derzeit nicht bereit, den vom DBVorstand anvisierte­n Preis von vier Milliarden Euro zu bezahlen.

»Jetzt an Personalko­sten zu sparen, ist der völlig falsche Weg.«

Klaus-Dieter Hommel, Bahngewerk­schaft EVG

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