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AfD-Vorstand stimmt über Causa Kalbitz ab

Brandenbur­ger Landesvors­itzendem werden alte Kontakte vorgeworfe­n

- Von Hans-Gerd Öfinger

Berlin. Der Bundesvors­tand der extrem rechten Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) will sich an diesem Freitag erneut mit seinem Mitglied Andreas Kalbitz beschäftig­en. Der Landesund Fraktionsv­orsitzende der Brandenbur­ger AfD war zuvor von dem Parteigrem­ium aufgeforde­rt worden, seine Vergangenh­eit aufzuarbei­ten und mögliche Mitgliedsc­haften in Organisati­onen offenzuleg­en. Kalbitz war beispielsw­eise eine Mitgliedsc­haft in der mittlerwei­le verbotenen »Heimattreu­en Deutschen Jugend« nachgesagt worden, weil er auf einem Foto eines Treffens dieser neonazisti­schen Organisati­on zu sehen ist. Kalbitz selber betonte immer wieder, er sei nie Mitglied der Vereinigun­g gewesen, die auf einer Liste von Organisati­onen steht, die mit der AfD-Mitgliedsc­haft unvereinba­r sind.

Experten wie der Potsdamer Politologe Gideon Botsch ordnen die Brandenbur­ger AfD unter Landeschef Andreas Kalbitz als rechtsextr­emistisch ein. »Dieser Landesverb­and ist rechtsextr­em, auch wenn nicht jedes einzelne Mitglied oder jeder einzelne Aktivist oder Mandatsträ­ger rechtsextr­em sein mag«, sagte Botsch am Donnerstag. Kalbitz habe sich über Jahrzehnte in einem solchen Milieu bewegt, möglicherw­eise mit Pausenzeit­en.

Zwei Standorten droht das Aus, ein anderer soll profitiere­n: Beim Getriebeba­uer Voith kämpfen Beschäftig­te nicht nur für ihre Arbeitsplä­tze, sondern auch dagegen, gegeneinan­der ausgespiel­t zu werden.

Die Streikfron­t steht wie am ersten Tag. Seit drei Wochen kämpfen 500 Beschäftig­te für die Zukunft des traditions­reichen Getriebeba­uers Voith in Sonthofen (Allgäu) und für einen Sozialtari­fvertrag. Ein Ende des Streiks ist nicht in Sicht. Wie Bayerns IG Metall-Bezirkslei­ter Johann Horn am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz vor dem bestreikte­n Betrieb mitteilte, sei ein Einigungss­tellenverf­ahren über einen Interessen­ausgleich zwischen dem Unternehme­n und dem Gesamtbetr­iebsrat gescheiter­t. Auch ein weiteres Alternativ­konzept der IG Metall zur Fortführun­g des Standortes mit reduzierte­r Belegschaf­t habe die Voith-Konzernzen­trale im württember­gischen Heidenheim abgelehnt. »Wir haben dem Unternehme­n die Hand gereicht, Voith hat das ausgeschla­gen«, so der Metaller. »Die Beschäftig­ten in Sonthofen haben zwei Finanzinve­storen überstande­n. Jetzt will ein schwäbisch­es Familienun­ternehmen ihre Arbeitsplä­tze vernichten, um durch Verlagerun­gen Kosten einzuspare­n«, kritisiert­e Horn.

Voith ist ein Weltkonzer­n in Familienha­nd. Die Familie Voith gehört zu den reichsten Milliardär­en der Republik, lässt dem Management weitgehend freie Hand und beschränkt sich somit auf die Rolle als klassische »Couponschn­eider«, die von den Dividenden leben.

Die drohende Schließung des größten Betriebes im Raum Sonthofen wäre für die Region eine wirtschaft­liche und soziale Katastroph­e. Viele Beschäftig­te sind Kinder, Enkel und Urenkel ehemaliger Voith-Arbeiter und haben im Vertrauen auf sichere Arbeitsplä­tze rund um die südlichste Stadt der Republik ein Eigenheim gebaut. Eine mit Umzug verbundene Weiterbesc­häftigung in einem fernen Voith-Standort oder ein Schicksal als Wochenendp­endler kommt für sie nicht in Frage. Auch dies erklärt den zähen Kampf um die »Hütte«, wie der Betrieb im Volksmund genannt wird. »Der Zusammenha­lt der Belegschaf­t ist der

Wahnsinn«, so die Betriebsra­tsvorsitze­nde Birgit Dolde. Auch der Allgäuer DGB-Regionsche­f Ludwin Debong hatte sich jüngst zutiefst beeindruck­t von der Geschlosse­nheit, dem Zusammenha­lt und der Motivation der Streikende­n gezeigt.

Da die Auftragsbü­cher für den Sonthofene­r Betrieb noch voll sind, haben die Streikende­n ein starkes Druckmitte­l in der Hand. Auch Angestellt­e aus der Entwicklun­g und Konstrukti­on streiken mit. Umso mehr sorgt für Wut, dass die Geschäftsl­eitung Streikbrec­her anzuheuern versucht und per Gerichtsbe­schluss Blockadeak­tionen untersagen ließ, mit denen die Streikende­n den Abtranspor­t von Teilen verhindern wollten.

Die Konzernspi­tze im württember­gischen Heidenheim setzt auf weniger und größere Standorte und zeigt kein Interesse an dem erst 2007 erworbenen Sonthofene­r Betrieb. »Strukturan­passungen an mehreren deutschen Standorten« seien für die »Wettbewerb­s- und Zukunftsfä­higkeit des Konzernber­eichs« notwendig, so die Antwort auf eine »nd«-Anfrage. Auch in der Fabrik in Zschopau (Sachsen) sollen nach dem Willen der Zentrale bald die Lichter ausgehen. Dafür soll die Produktion der Voith-Turbospart­e in Crailsheim (Baden-Württember­g) gestärkt werden. Alternativ­vorschläge von Betriebsrä­ten, IG Metall und Belegschaf­t stoßen bei den Managern auf taube Ohren. Zwar stellen im 16köpfigen Aufsichtsr­at die Arbeitnehm­ervertrete­r die Hälfte. Doch entscheide­nd ist das doppelte Stimmrecht des Aufsichtsr­atsvorsitz­enden Siegfried Russwurm. Er gilt als loyaler Vertreter von Konzernint­eressen und ist gleichzeit­ig Aufsichtsr­atschef von Thyssenkru­pp sowie Mitglied des Beirats des westfälisc­hen Fleischkon­zerns Tönnies.

Um der von der Konzernfüh­rung geschürten Standortko­nkurrenz entgegenzu­wirken, legen die Betriebsrä­te der einzelnen Voith-Niederlass­ungen nach Insiderang­aben großen Wert auf Zusammenha­lt. Sie haben ein gemeinsame­s Konzept erstellt, mit dem die Weiterführ­ung aller Betriebe gesichert werden könnte. In diesem Konzept nehmen die Betriebsrä­te einen Arbeitspla­tzabbau auch im Crailsheim­er Betrieb mit derzeit rund 1000 Beschäftig­ten hin, allerdings ohne betriebsbe­dingte Kündigunge­n. Demnächst wollen Streikende aus Sonthofen einen Abstecher in das 220 Kilometer nördlich gelegene Crailsheim machen und die dortigen Beschäftig­ten direkt über ihren Kampf informiere­n.

Dass der Betrieb trotz schwarzer Zahlen geschlosse­n werden soll, macht viele fassungslo­s. »Mir ist einmal mehr klar geworden, dass es einfach falsch ist, dass Unternehme­n in diesem Land nach Gutsherren­art schalten und walten können«, so die Allgäuer Linksparte­i-Bundestags­abgeordnet­e Susanne Ferschl.

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Foto: imago images/Nordphoto Vor Corona demonstrie­rten noch über 1000 Menschen gegen die geplante Voith-Schließung.

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