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Virus-Epidemie bei den Steuereinn­ahmen

Aktuelle Schätzung beziffert Ausfälle 2020 auf 98,6 Milliarden Euro / Finanzmini­ster gibt sich gelassen

- Von Kurt Stenger

Die staatliche­n Haushalte müssen in diesem Jahr mit stark sinkenden Einnahmen klarkommen. Ungewiss ist, ob dies wichtige Vorhaben in Gefahr bringt.

Bund, Länder und Gemeinden müssen in diesem Jahr im Zuge des Corona-Lockdowns steuerlich­e Einahmeaus­fälle von 98,6 Milliarden Euro verkraften. Er sei »von der Dimension nicht überrascht«, sagte Bundesfina­nzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag in Berlin bei der Vorstellun­g der Ergebnisse der aktuellen Steuerschä­tzung. Die Regierung sei »in der Lage, mit einer solchen Situation umzugehen«.

Zweimal jährlich berechnen Experten staatliche­r Stellen sowie Ökonomen die zu erwartende­n Steuereinn­ahmen des Staates. Die Ergebnisse sind Grundlage der Haushaltsp­lanung. Beim erwarteten Minus in diesem Jahr gehen 44 Milliarden Euro zulasten des Bundes, 35 Milliarden entfallen auf die Länder und 15,6 Milliarden auf Kommunen. Bereits 2021 liegen die Einnahmen demnach aber etwa wieder auf dem Niveau von 2019 und steigen danach weiter kräftig an. Allerdings bedeuten die Zahlen bis 2024 ein Minus von jeweils gut 50 Milliarden Euro gegenüber der bisherigen Schätzung.

Der Einbruch bei den Staatseinn­ahmen geht auf die Rezession zurück. Da die Wirtschaft schrumpft, sinken die Einnahmen aus Körperscha­ft-, Gewerbe- und Umsatzsteu­er. Weniger Jobs und deutlich mehr Kurzarbeit bedeuten einen Einbruch bei der Einkommens­teuer. Außerdem waren Steuerstun­dungen des Fiskus Teil der Nothilfen für die Wirtschaft.

Allerdings steht die aktuelle Schätzung auf wackligem Boden. Das Ausmaß der Rezession ist kaum abschätzba­r, da nicht klar ist, wie schnell in den besonders gebeutelte­n Branchen wieder Normalität einkehrt und ob womöglich eine zweite Corona-Infektions­welle erneut zum Lockdown führt. Ebenso unklar ist, wann die Regierung ein Konjunktur­programm in welchem Umfang auflegt und wie dies die Wirtschaft stützen wird. Aufgrund der Unsicherhe­iten soll es laut Scholz im September eine weitere außerplanm­äßige Schätzung geben.

Besonders heftig wird es für die generell finanzschw­achen Kommunen. Ihre Spitzenver­bände verlangen bereits Unterstütz­ung von den jeweiligen Ländern und einen Rettungssc­hirm in zweistelli­ger Milliarden­höhe vom Bund. Am Donnerstag beriet Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Vertretern der Kommunen darüber.

Scholz wandte sich indes gegen Forderunge­n von Ausgabenkü­rzungen. »Gegen eine Krise darf nicht angespart werden«, sagte er. Auch an der steuerfina­nzierten

Grundrente werde nicht gerüttelt. Am Freitag beginnen, zu einer ungünstige­n Zeit, nach langem Koalitions­streit nun die Bundestags­beratungen über das Gesetz zur Grundrente. Aus der Union und von Arbeitgebe­rverbänden sind bereits Stimmen laut geworden, das Projekt weiter zu verschiebe­n. Außerdem hatte Kanzlerin Merkel am Mittwoch im Bundestag gesagt, es werde keine Steuererhö­hungen geben.

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